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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis
Autoren: Werner Illig
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uns im Namen der Menschlichkeit zur demokratischen Toleranz verpflichtet. Diesen Irrglauben bezahlten tausende von Genossen mit Tod und Siechtum!
    Zinskapital und Werkfriede schließen einander aus. Der Einsatz im Spiel mit den goldenen Würfeln war und ist Arbeiterblut. Diese Erfahrung werden wir in Tat und Wort über die Erde hintragen. Allen, die ihre Arbeitskraft verkaufen und verhandeln müssen, rufen wir zu: Wo immer euch die Herren der Börse durch ihre beauftragte Bürokratie, Diplomaten, Minister und bürgerliche Parlamentshälften zur Mitverantwortung ziehen, wo sie Verständigung und Gemeinschaft mit euch suchen, betrügen sie euch, schwächen sie eure Kraft, zerstören sie soziale Grundwerte. Ob sie von Gott, Volk, Nation und anderen ›heiligen Gütern‹ re den, sie meinen ihr Geschäft, ihre Herrschaft, ihren Profit! Stoßt sie von ihren goldenen Stühlen, wie ihr früher eure Könige von ihren Thronen verjagt habt. Wir wollen euch dabei helfen!«
    Im dritten Teil seiner Ansprache begründete Joll die Maßnahmen, die er bisher zur Sicherung des Staates getroffen hatte.
    »Gestützt auf das Recht meiner Diktatur, habe ich alle Klassenvorrechte ohne Ausnahme aufgehoben. Ich anerkenne kein geschichtliches Recht auf Sonderbehandlung irgendeines Menschen. Wir leben in unserer Zeit, frei und gleich unter Freien und Gleichen. Die Forderungen der Vergangenheit sind beglichen. Die Zukunft bedarf ihrer nicht.
    Ich habe verfügt, daß alle Privaten und Lakaien, die sich schwer an unserem Vertrauen vergangen haben, in einer Zwangsarbeitskolonie vereinigt werden. Ihre Kinder werden in unseren Jugendgemeinschaften erzogen.
    Die Älteren können sich nach zehnjähriger Gemeinschaftsarbeit unter schärfster Kontrolle um Aufnahme in die Genossenschaft bewerben. Über die Anstifter urteilt das Revolutionsgericht.
    Die Siedlungen der Privaten werden zerstört.
    U-Privat, als Sitz der Verschwörung, wird noch heu te, im Anschluß an diese Sitzung, dem Erdboden gleichgemacht. Unsere Genossen Ingenieure melden mir, daß die Mittel bereitstehen, um vom Turm aus diesen Stadtteil einzuäschern. Genosse Tirwa bürgt dafür, daß er von seinen Bewohnern geräumt ist.«
    Joll kam zum Schluß: »Alle diese Anordnungen erkläre ich für widerrufbar, denn sie bekunden den Willen eines einzelnen. Bei uns aber gilt der Wille der Gesamtheit.
    Der Kampf ist vorüber. Der Ausnahmezustand, den er bedingte, besteht nicht mehr. Ich lege meine Diktatur zurück in die Hände des Zentralrats, der sie mir übertrug, und bitte Noris, meinen Platz einzunehmen.«
    Joll trat zur Seite.
    Hunderttausend Menschen im Turm, Millionen im Land warteten in atemloser Spannung. Das Schweigen drückte uns nieder.
    Langsam erhob sich Noris. Wir, die nahe saßen, sahen, wie mühsam er sich aufrecht hielt. Sein Gesicht war den Toten ähnlicher, denen er den letzten Dienst erwiesen hatte, als den Lebenden, die jetzt das Wort aus seinem Munde wollten.
    Er faßte beide Hände Jolls und ließ sie nicht los, solange er sprach. Darin lag mehr als der Dank, den er im Namen der Genossenschaft abstatten wollte, es war, als müsse er sich an Joll körperlich anhalten, um nicht zu schwanken und zu fallen.
    »Genossen« – seine Stimme klang fest und sicher, das erschütterte uns mehr, als wenn sie gezittert hätte – , »der Irrtum, dem wir, ich und viele von uns, ergeben waren, hat den Tod unter uns gesät. Wir glaubten, un sere zahlenmäßige Übermacht müßte die Widerstandskraft des Gegners brechen und von selbst die klassenlose Gesellschaft herbeiführen. Es war ein Irrglaube. Die Waffen der Revolution, mit denen unsere Väter und Mütter den Sieg erfochten haben, wurden in unseren Händen zu papiernen Verträgen, mit denen wir uns banden, während die Krämer im Schutze der Verfassung ihr Verbrechen vorbereiten konnten.
    Joll und eine kleine Gruppe um ihn hat diese Gefahr, die wir nicht sehen wollten, seit langem erkannt, ihn mußten wir rufen, als unsere Führung versagte. Der Zentralrat unter meiner Leitung hat damit das Recht verwirkt, das gesetzliche Leben in der Genossenschaft zu beeinflussen. In Übereinstimmung mit den Genossen des Rates erkläre ich unseren Rücktritt von der Verwaltung. Wir empfehlen als letzten gemeinsamen Beschluß den Genossen in Utopien, die Maßnahmen, die Joll als Diktator getroffen hat, zu bestätigen. Bis zur Wahl schlagen wir die Bildung eines engeren Räteausschusses unter Vorsitz von Joll vor!«
    Vielleicht hätte Noris noch
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