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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis
Autoren: Werner Illig
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seit langem gewünscht, mal ein gekrön tes Oberhaupt zu sehn«, sagte er endlich, »stellte mir dar unter so ’ne Art Panoptikums-Mißgeburt vor: Adlerna se, Falkenblick, Tigerklaue und ’n Maul, so groß wie ’n Walfisch, so liest man’s doch aus historischen Märchenbüchern … Bin aber enttäuscht – bin wirklich enttäuscht!«
    Lange Pause.
    »He, Bob!« Joll schrie ihn an und haute mit der Faust auf den Tisch. »Wach’ auf! Hast wahrscheinlich nicht gefrühstückt. Komm her!«
    Bob gehorchte zweifelnd. Joll steckte ihm ein kräftiges Stück Brot in den Mund.
    »So, nun stärk’ dich. Wenn wir dich hängen woll ten, dann müßte eine Million Genossen baumeln, die des Kaisers Rock, von Morgons Schneider geliefert, mit Stolz getragen haben, und die andern, die meinem Paradiesspuk nachgelaufen sind, oder gar die, die unseren Turm in die Wolken sprengen wollten. Oder tut’s dir leid, daß du wieder zum ›ganz gewöhnlichen Proleten‹ herabgesunken bist?«
    Bob wußte sich vor Freude kaum zu fassen. Er strahlte. Das Brot quoll ihm im Munde und widersetzte sich seinen Schlingversuchen, und so brachte er bloß ein geschwollenes »… Joll!« heraus. Aber in diesem verunstalteten Laut lag sein ganzes Bekenntnis zur großen Sache.
    »Ich hoffe, du trägst mir’s nicht nach, daß ich dir deine Armee fortgestohlen habe«, fuhr Joll fort. »Damit du deine Kenntnis privater Feigheit und Lebensangst verwerten kannst, übertrage ich dir die Streif kommandos, die nach versteckten Privaten und Lakai en suchen. Du wirst sie am besten aufzustöbern wissen.«
    Als Bob abtrat, rief er ihm nach: »Übrigens empfeh le ich dir, deine Memoiren als Kaiser von Utopia zu schreiben. Wir verkaufen sie nach Amerika und überweisen das Geld der Revolutionspropaganda.«
    Joll erhob sich. Die Ruhezeit war vorüber. Das Lächeln, das den unschuldig-schuldigen Bob begleitet hatte, erlosch in seinem Gesicht. »Wir wollen jetzt unsere Genossen besuchen, die Morgon zu Krüppeln gemacht hat«, sagte er zwischen zusammengepreßten Lippen, »und dann hinunter, dorthin, wo Noris Wache hält …«
    Er und die meisten gingen. Die Ingenieure hielten mich zurück. Sie interessierten sich für den Fernseher der Privaten, dessen Strahlen Wände durchdringen konnten, und fragten mich aus. Ich wußte nicht viel zu berichten, es fehlte mir am technischen Blick: Ein paar Kästen mit Drehknöpfen, da soll sich der Teufel auskennen. Einer von denen, die aus Futura gekommen waren, erklärte das Prinzip der Lichtprojektion, das bei den Spukgestalten angewendet worden war, nannte das Fernspaltung von Farben im diffusen Lichtkegel, fing an, auf der Tischplatte mit Zeichen zu rechnen. Die anderen nickten ernsthaft mit den Köpfen, was mir ziemlich komisch vorkam, weil ich kein Wort davon verstand. Jeder achtzehnjährige Junggenosse hätte es mindestens grundsätzlich kapiert. Ich wollte mich drü cken.
    Gerade nahm wieder einer von den Turmleuten das Wort: »Wir sind hier durch Zufall auf eine merkwürdige Erscheinung gestoßen, die vielleicht noch mal große Bedeutung haben wird … (Nichts für dich, dachte ich und hatte schon den Türdrücker in der Hand.) »… In der Nähe eines starken elektrischen Felds scheinen sich unter gewissen Umständen, die wir noch untersuchen müssen, Körper zu konservieren.« (Mir wurde plötzlich zu heiß in meinem Kittel …) »Während wir mal den Panzer auf dreißig Sekunden ausschalteten, um dich (er wies auf mich … nur nicht gemuckt, mal ganz ruhig abwarten …) in die Stadt zu lassen, ist da eine Genossin in eine Nische des Schutzgrabens gestürzt und …«
    Es war aus mit der Beherrschung. Ich sprang auf den ahnungslosen Mann zu, schüttelte ihn und brüllte: »Wo ist Jana?« Die anderen rissen mich zurück, mein ten sie doch, ich wäre toll geworden. »Jana! – Jana!« schrie ich in einem fort und rang verzweifelt mit mei nen Bändigern.
    »Das Mädchen?« – der überfallene Genosse mochte was ahnen – »ich ließ den Körper in die Klinik schaffen, vielleicht …«
    Drei starke Männer schleuderte ich in die Ecke und war hinaus wie der Blitz.
     
38
     
    Als ich oben im achtzigsten Stock ankam, aus der Kabine sprang und ich weiß nicht wohin rennen wollte, fing mich eine Genossin im weißen Ärztemantel ab. Sie hatten schon hinauftelephoniert.
    »Europakarl?« fragte sie und faßte nach meiner Hand.
    »Tot?« hauchte ich.
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Lebt«, sagte sie einfach. Ich taumelte. Sie
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