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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich
Autoren: Theodor Fontane
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beinah herzlichen Ton an und redete Holk zu, sich an einer für den zweitnächsten Tag festgesetzten Jagdpartie zu beteiligen, zu der er eben eine Einladung von Graf Baudissin erhalten hatte. Dann besprachen sie sonderbarerweise Toilettenangelegenheiten, sogar ganz ausführlich, aber freilich nur mit Rücksicht auf Asta, die nun über siebzehn sei und in die Gesellschaft eingeführt werden müsse, bei welchem Worte sich ihr Auge mit Tränen füllte.
    So verging der Tag, und die Sonne stand schon tief, als sie mich aufforderte, mit ihr an den Strand zu gehen. ›Aber‹, setzte sie hinzu, ›wir müssen uns eilen und unten sein, eh es dunkel wird.‹
    Und gleich danach stiegen wir die Terrasse hinab. Unten angekommen, war ihr der Weg am Strande hin nicht recht, der Sand sei so feucht und ihr Schuhzeug so leicht, und so gingen wir denn auf den Steg hinauf, in einem Gespräch, in dem die Gräfin absichtlich jedes ernstere Thema zu vermeiden schien. Als wir endlich bis an die Plattform und die kleine Treppe gekommen waren, an der die Dampfschiffe anlegen, setzten wir uns auf eine Holzbank, die Holk seit kurzem erst an dieser Stelle hat aufstellen lassen, und sahen in die Sonne, deren Widerschein auf dem nur wenig bewegten Meere fast noch schöner war als ihre Farbenpracht in dem Gewölk darüber. ›Wie schön‹, sagte Christine. ›Laß uns den Untergang hier abwarten. Freilich, es wird schon kalt, und du könntest uns wohl unsere Mäntel holen. Aber, bitte, spare dir die Stufen und ruf es bloß die Terrasse hinauf. Asta wird es schon hören.‹
    Sie sprach das alles mit einem Anflug von Verlegenheit, denn etwas Unwahres sagen widerstrebte ihrer Natur; aber wenn diese Verlegenheit auch gefehlt hätte, so wäre mir das Ganze doch aufgefallen, weil ihre fast zu weit gehende Zartheit und Güte gegen mich es immer ängstlich vermied, irgendeinen Dienst von mir zu fordern. Sie sah auch, welche Richtung meine Gedanken nahmen, aber ich durfte sie's doch nicht klar und unumwunden wissen lassen, was an Besorgnis in meiner Seele vorging, und so ging ich denn den Steg wieder zurück und die Terrasse hinauf, denn das mit dem ›Hinaufrufen, bis Asta es höre‹, war nur so hingesagt worden.
    Als ich wieder am Ausgang des Steges ankam, fand ich die Gräfin nicht mehr und wußte nun, was geschehen. Ich eilte zurück, um Hülfe zu holen, trotzdem ich sicher war, daß alles nutzlos sein würde. Holk war wie betäubt und wußte sich nicht Rat. Endlich aber wurde das Dorf alarmiert, und bis in die Nacht hinein suchte man an Steg und Strand. Auch Boote wurden abgelassen und fuhren ins Meer hinein, auf eine nur von wenig Wasser überspülte Sandbank zu, die dem Stege quer vorliegt. Aber durch Stunden hin ohne jeden Erfolg, und erst am andern Morgen kamen Holkebyer Fischer aufs Schloß und meldeten, daß sie die Gräfin gefunden hätten. Wir gingen nun alle hinunter. Der Ausdruck stillen Leidens, den ihr Gesicht so lange getragen hatte, war dem einer beinah heiteren Verklärung gewichen, so sehr bedürftig war ihr Herz der Ruhe gewesen. Und auf einer Bahre, die man aus der Kirche herbeigeschafft hatte, trug man sie nun, weil man die Steigung der Terrasse vermeiden wollte, durch die Düne bis ins Dorf und dann den mäßig ansteigenden Parkweg hinauf. Alles drängte herzu, und die armen Leute, für die sie gesorgt, wehklagten, und bittere Worte wurden laut, die der Graf, so hoffe ich, nicht hörte.
    Wie das Begräbnis war und wie Petersen sprach, der an diesem Tage, das muß ich bezeugen, auch das rechtgläubigste Herz zufriedenstellen konnte, das haben Sie gelesen in dem ›Arnewieker Boten‹, den Ihnen Baron Arne geschickt hat, und vielleicht auch in den ›Flensburger Nachrichten‹.
    Ich habe nur noch hinzuzufügen, was vielleicht angetan ist, uns über den Seelenzustand der Gräfin und über das, was sie den letzten Schritt tun ließ, ins klare zu bringen. In derselben Stunde noch, als wir sie vom Strand heraufgebracht hatten, gingen wir auf ihr Zimmer und suchten, ob sich nicht ein Abschiedswort fände. Wir fanden auch wirklich mehrere Briefbogen, deren Anredeworte zeigten, daß sie den Willen gehabt hatte, von den ihr Zunächststehenden, von Holk, von Arne und auch von mir, Abschied zu nehmen. Den Überschriften an Arne und mich waren ein paar Worte wie ›Habe Dank‹ und ›Wenn Du diese Zeilen liest‹ hinzugefügt, aber alles war wieder durchstrichen, und dem Bogen mit der Anrede ›Lieber Holk‹ fehlte auch
das
. Dafür war dem
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