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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich
Autoren: Theodor Fontane
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wenn's plötzlich und als ein ganz Unerwartetes an ihn herangetreten wäre. Dies war aber nicht der Fall. Schon Ausgang des Winters hatte der ihn in seinen Briefen »au courant« erhaltende Pentz diese Vermählung als etwas über kurz oder lang Bevorstehendes angemeldet, und zwar in folgenden Schlußzeilen eines längeren Anschreibens: »Und nun, lieber Holk, eine kurze Mitteilung, die Sie mehr interessieren wird als alle diese Geschichten aus dem Hause Hansen – Ebba Rosenberg hat gestern der Prinzessin Anzeige von ihrer Verlobung gemacht, die jedoch, zu leichterer Beseitigung entgegenstehender Schwierigkeiten, vorläufig noch geheim bleiben müsse. Der, den sie durch ihre Hand zu beglücken gedenkt, ist niemand Geringeres als Lord Randolph Ashingham, dessen Sie sich, wenn nicht von Vincent, so doch vielleicht von einer Abendgesellschaft bei der Prinzessin her erinnern werden. Es war gleich zu Beginn der Saison von neunundfünfzig auf sechzig. Lord Randolph, von dem es heißt, daß er den Grund und Boden eines ganzen Londoner Stadtteils (vielleicht gerade
des
Stadtteils, den Sie zurzeit bewohnen) und außerdem einen Waldbestand von fünfzehn Millionen Tannen in Fifeshire besitze – Lord Randolph, sag ich, hat sich ein Jahr lang in dieser Angelegenheit besonnen oder wohl richtiger besinnen müssen, weil von seiten eines noch viel reicheren Erbonkels allerlei Bedenken erhoben wurden. Und diese Bedenken existieren in der Tat noch. Aber Ebba müßte nicht Ebba sein, wenn es ihr nicht glücken sollte, dem stark exzentrischen Erbonkel den Beweis ihrer Tugenden auf dem Gebiete des Chic und High Life zu geben, und so wird denn die Verlobung ehestens proklamiert werden. Alles nur Frage der Zeit. Übrigens haben sich beide, der Lord und Ebba, nichts vorzuwerfen; er, wie so viele seinesgleichen, soll schon mit vierzehn ein ausgebrannter Krater gewesen sein und heiratet Ebba nur, um sich etwas vorplaudern zu lassen, und von diesem Standpunkt aus angesehen, hat er eine gute Wahl getroffen. Sie wird jeden Tag Dinge sagen und später auch wohl Dinge tun, die Seine Lordschaft frappieren, und vielleicht zündet sie mal die fünfzehn Millionen Tannen an und stellt bei der Gelegenheit sich und den Eheliebsten in die rechte Beleuchtung. Und nun tout à vous, beau Tristan. Ihr Pentz.«
    So hatte damals der Brief gelautet, und die zwei Zeilen in der »Times« waren nichts als die Bestätigung. »Es ist gut so«, sagte Holk nach einer Weile. »Das gibt reinen Tisch. Ihr Gespenst ging immer noch in mir um und war nicht ganz zu bannen. Nun ist es geschehen durch sie selbst; alles fort, alles verflogen, und ob Christine mir auch verloren bleibt, vielleicht verloren bleiben muß, ihr Bild soll wenigstens in meinem Herzen wieder den ihm gebührenden Platz haben.«
    Unter diesem Selbstgespräche nahm er die beiseite gelegte Zeitung wieder in die Hand und wollte sich ernsthaft in eine Berliner Korrespondenz vertiefen, die ziemlich ausführlich, so schien es, von einer Heeresverdoppelung und einer sich dagegen bildenden Oppositionspartei sprach. Aber er hatte heut keinen Sinn dafür und sah bald über das Blatt fort. Von der nahen Sankt-Pancras-Kirche, deren Turm er dicht vor Augen hatte, schlug's eben neun, und durch die Southamptonstraße, die den Square an der ihm zugekehrten Seite begrenzte, rollten Cabs und wieder Cabs, die von der Euston-Square-Station herkamen und dem Mittelpunkt der Stadt zufuhren. Er brach, um damit zu spielen, ein dicht herabhängendes Platanenblatt ab, und erst als er die Spatzen über sich immer lauter quirilieren hörte, nahm er etliche Krumen und streute sie vor sich hin auf den Balkon. Sofort fuhren die Spatzen aus dem Gezweig hernieder, pickend und kriegführend untereinander, aber schon im nächsten Augenblicke huschten sie wieder auf, denn von der Haustür her klang ein rasch wiederholtes Klopfen, das Zeichen, daß der »Postman« an der Tür sei; Holk, der am folgenden Tage Geburtstag hatte, horchte neugierig hinunter, und gleich darauf trat Jane ein und überreichte ihm vier Briefe.
    Schon die vier Poststempel Gnadenfrei, Bunzlau, Glücksburg, Arnewiek ließen Holk keinen Augenblick in Zweifel, von wem die Briefe kamen, und auch ihr Inhalt schien ihm nicht viel Neues bringen zu sollen. Asta und Axel sprachen steif und förmlich und jedenfalls ziemlich kurz ihre Gratulationen aus, und auch Petersen, der sonst ausführlich zu schreiben pflegte, beschränkte sich heut auf eine Darbringung seiner Glückwünsche.
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