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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich
Autoren: Theodor Fontane
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nicht an Örtlichkeiten und in Kreise zurückkehren mag, die nur schmerzliche Erinnerungen in ihr wachrufen. In ihren Augen hat Gnadenfrei so viele Vorzüge und nicht zum wenigsten den, sich vor der Welt verbergen zu können. Aber ich geströste mich, daß das Bedürfnis nach dieser Weltabgeschiedenheit in ihr hinschwinden soll und daß wir sie recht bald in die Welt und in ein neues altes Glück zurückkehren sehen, in ein Glück, das nur ein Wahn unterbrach. Ein Wahn, aus dem zuletzt eine Schuld wurde. Was gäb ich darum, wenn dieses Pfingstfest schon Euern Einzug gesehen und die ganze Säulenhalle von Holkenäs in grünen Maien gestanden hätte, das alte Wappen über dem Eingang in einem wieder von Rosen durchflochtenen Kranz. Daß die Zukunft es so bringen möge, die nächste schon, mit diesem Wunsche laß mich schließen.
    Dein Arne«
     
    Holk legte den Brief aus der Hand und sah freudig aufatmend nach dem Square hinüber, wo alles grünte und blühte. Der Eindruck, unter dem er stand, war der der reinsten Freude; Möglichkeiten, an deren Verwirklichung er kaum noch geglaubt hatte, nahmen Gestalt an, begrabene Hoffnungen standen wieder auf und wollten Gewißheit werden, und die durch Jahre hin äußerlich und innerlich Getrennten zogen wieder ein in das »Schloß am Meere«, und das alte Glück war wieder da.
     
Zweiunddreißigstes Kapitel
     
    Und was Holk geträumt, es erfüllte sich oder schien sich doch erfüllen zu wollen.
    Johannistag war, und ein sonniger blauer Himmel stand über ganz Angeln, am sonnigsten aber über Schloß Holkenäs. Wagen in langer Reihe hielten an den Treib- und Gartenhäusern hin, und das Holksche Wappen über dem Portale trug einen Efeukranz, in den weiße und rote Rosen eingeflochten waren. Arne hatte Myrte gewollt, aber Christine war dabei geblieben, daß es Efeu sein solle.
    Und nun schlug es zwölf von Holkeby her, und kaum daß die zwölf Hammerschläge verklungen waren, so kam auch schon ein allmähliches Schwingen in die mächtige, jetzt von zwei Männern gezogene Glocke, die nun weit ins Land hinein verkündete, daß die Feier, zu der sich alle befreundeten Familien von nah und fern her versammelt hatten, ihren Anfang nehme. So war es denn auch, und nicht lange mehr, so öffnete sich die hohe, nach dem Park hinausführende Glastür, und wer von Neugierigen, und ihrer waren viele, draußen zwischen den Gartenbeeten einen guten Stand genommen hatte, der sah jetzt, wie sich drinnen im Saal alles zu einem Zuge ordnete, an dessen Spitze zunächst Holk und Christine erschienen, die Gräfin in weißem Atlas und einem Orangeblütenkranz im Haar, von dem ein Schleier niederhing. Hinter dem Paare, das nun wie zu neuem Ehebunde den Segen der Kirche empfangen sollte, schritten Asta und Axel, dann Arne, der die ältere Gräfin Brockdorff, und dann Schwarzkoppen, der die Dobschütz führte, viel andere mit ihnen, und zuletzt alle die, die gebeten hatten, der Feier im Festzuge beiwohnen zu dürfen, und deren Teilnahme, weil es Fernerstehende waren, die Herzen der wieder zu Trauenden besonders beglückt hatte. Dienerschaften schlossen sich an, und als der Zug, der sich auf Holkeby zu in Bewegung setzte, den zwischen den Tannen des Parkes hinlaufenden Kiesweg passiert hatte, trat man in ein Spalier ein, das die Holkebyer Bauerntöchter samt den Mädchen aus den Nachbardörfern gebildet hatten. Alle hielten Körbe in Händen und streuten Blumen über den Weg, einige aber, die dem Ansturm ihrer Gefühle nicht wehren konnten, warfen die Körbe beiseite und drängten sich an Christine heran, um ihr die Hand oder auch nur den Saum des Kleides zu küssen. »Sie machen eine Heilige aus mir«, sagte die Gräfin und suchte zu lächeln; aber Holk, dem sie die Worte zugeflüstert hatte, sah wohl, daß ihr dies alles mehr Pein als Freude schuf und daß sie, wie das in ihrer Natur lag, ängstlich schmerzliche Betrachtungen oder vielleicht selbst trübe Zukunftsgedanken an dies Übermaß von Huldigung knüpfte. Das volle Leben um sie her indes entriß sie dem wieder, und als sie jetzt deutlich hörte, daß der Glocken immer mehr wurden und daß es klang, als ob alle Kirchen im Angliter Lande das seltene Versöhnungsfest mitfeiern wollten, da fiel, auf Augenblicke wenigstens, alles Trübe von ihr ab, und ihr Herz ging auf in dem Klange, der gen Himmel stieg.
    Und nun waren sie bis an die niedrige Kirchhofsmauer gekommen, an der entlang, wie damals, wo Asta und Elisabeth hier gesessen hatten, wieder hohe
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