Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Holk war nicht angenehm davon berührt und fand seine gute Stimmung erst wieder, als er auch Arnes Brief geöffnet und gleich den ersten Zeilen allerlei Liebes und Freundliches entnommen hatte. »Ja«, sagte Holk, »der hält aus. Unverändert derselbe. Und wäre doch eigentlich
der
, der am ehesten mit mir zürnen dürfte. Der Bruder seiner geliebten Schwester. Aber freilich, da liegt auch wieder Grund und Erklärung. Er liebt die Schwester und vergöttert sie fast. Aber er hat lange genug gelebt, um, trotz aller Junggesellenschaft, sehr wohl zu wissen, was es heißt, an eine heilige Elisabeth verheiratet zu sein. Und wenn sie noch die heilige Elisabeth wäre! Die war sanft und nachgiebig... Aber nichts mehr davon«, unterbrach er sich, »ich verbittere mich bloß wieder, statt mich ruhig und versöhnlich zu stimmen. Es ist besser, ich lese, was er schreibt.«
     
    »Arnewiek, 27. Mai 61
     
    Lieber Holk!
    Dein Geburtstag ist vor der Tür, und meine Glückwünsche sollen Dir nicht fehlen. Kommen sie einen Tag zu früh, wie ich fast vermute, so nimm es als ein Zeichen, wie dringlich ich es habe, Dir alles Beste zu wünschen. Ist es nötig, Dir die Wünsche herzuzählen, die mich für Dich erfüllen? Sie gipfeln auch heute wieder in dem einen, daß der Moment Eurer Aussöhnung nahe sein möge. Wohl weiß ich, daß Du dieser Möglichkeit mißtraust und Dein Mißtrauen aus dem Charakter Christinens zu begründen suchst. Und eine innere Stimme, die Dir zuflüstert, ›daß ihre Haltung ihr gutes Recht sei‹, kann Dich in Deinem Mangel an Vertrauen allerdings nur bestärken. Aber es liegt doch günstiger. Du hast unter Deiner Frau Dogmenstrenge gelitten, und ich habe Christine, als an ernste Konflikte noch nicht zu denken war, liebevoll gewarnt, Dich nicht in ein auf Leineweber berechnetes Konventikeltum oder wohl gar in eine Deiner Natur total widerstrebende Askese hineinzwingen zu wollen. Was darin von Anklage gegen Christine lag, das war berechtigt, und ich habe, um oft Gesagtes noch einmal zu sagen, weder Willen noch Veranlassung, etwas davon zurückzunehmen. Aber gerade in dieser ihrer Bekenntnisstrenge, darunter wir alle gelitten, haben wir auch das Heilmittel. Ob ihre noch immer lebendige Liebe zu Dir, wie sie sich in ihren Briefen, oft wohl gegen ihren Willen, zu erkennen gibt, die Kraft zu Verzeihung und Versöhnung besitzen würde, laß ich dahingestellt sein, ich sage nicht ja und nicht nein; aber was ihre Liebe vielleicht nicht vermöchte, dazu wird sie sich, wenn alles erst in die rechten Hände gelegt ist, durch ihre Vorstellung von Pflicht gedrängt fühlen. In die rechten Hände, sag ich. Noch kämpft es in ihr, und die brieflichen Vorstellungen unseres guten alten Petersen, der übrigens persönlich in seiner Zuversicht verharrt, haben bis zur Stunde wenig Erfolg gehabt, jedenfalls keinen Sieg errungen. Aber was dem alten rationalistischen Freunde, den sie so sehr liebt und den sie nur kirchlich nicht für voll ansieht, was unserem alten Petersen nicht gelingen wollte, das, denk ich, soll im rechten Augenblick unserem seit vier Wochen zum Generalsuperintendenten ernannten Schwarzkoppen ein leichtes oder doch wenigstens ein nicht allzuschweres sein. An Schwarzkoppen, den ich in der letzten Woche beinahe täglich gesehen, hab ich mich mit der dringenden Bitte gewandt, die Sache, bevor er uns und unsere Gegend verläßt, seinerseits in die Hand nehmen zu wollen, und da sich seine kirchlichen Überzeugungen mit seinen persönlichen Wünschen für Dich und Christine decken, so bezweifle ich keinen Augenblick, daß er da reüssieren wird, wo Petersen bisher scheiterte. Wenn Schwarzkoppen schon immer entscheidende Instanz für Christine war, wie jetzt erst, wo der Arnewieker Seminardirektor ein wirkliches Kirchenlicht geworden ist. Er ist nach Stettin, in seine heimatliche Provinz Pommern, berufen worden und wird uns Ende September verlassen, um am 1. Oktober sein neues Amt daselbst anzutreten. Ich mag diesen Brief nicht weiter ausdehnen, am wenigsten aber Wirtschaftliches berühren. Davon ein andermal. Gräfin Brockdorff seh ich jetzt häufig, teils in ihrem Hause, teils bei Rantzaus, aber auch gelegentlich hier in Arnewiek, wenn wir die Missionssitzungen haben, deren einer ich, freilich als ein sehr Unwürdiger, neulich präsidieren mußte. Christine hat meine Pfingsteinladung abgelehnt, angeblich weil die Dobschütz seit Frühjahr kränkle und der Pflege bedürfe. Der wahre Grund ist aber wohl der, daß sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher