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Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)

Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)

Titel: Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
Autoren: Teresa Medeiros
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gelegen und auf den Moment gewartet, in dem er schutzlos war.
    Ein spöttisches Lächeln trat auf seine Lippen, was seine Scharfrichter zu nervösem Gemurmel veranlasste, während sie auf den Schießbefehl warteten. Sein legendärer Ruf, mit knapper Not jeder Gefahr zu entrinnen, war ihm offenbar vorausgeeilt. Das hier war schwerlich das erste Mal, dass er dem sicheren Tod ins Angesicht blickte. Es war noch nicht einmal das erste Erschießungskommando, dem er gegenüberstand.
    Was sie nicht wissen konnten, war, dass sein Lächeln sich nicht über sie lustig machte, sondern über ihn selbst. Vielleicht war es nur recht und billig, dass sie ihn in diesen letzten Augenblicken seines Lebens verfolgte. Denn bald genug würde er sie verfolgen. Er wollte verdammt sein – und das war beileibe nicht ausgeschlossen, wenn man die beträchtliche Anzahl Gebote betrachtete, die er allein in den letzten vierzehn Tagen gebrochen hatte –, wenn er sich in die Ewigkeit zurückzog, ohne ihr einen letzten Besuch abzustatten.
    Er konnte fast vor sich sehen, wie er sich im Mondschein in Form einer Nebelwolke über ihrem Bett materialisierte. Er konnte ihr weizenblondes seidiges Haar ausgebreitet auf ihrem Kopfkissen erkennen, das sanfte Heben und Senken ihrer Brüste unter dem Oberteil eines albern jungfräulichen Nachthemdes. Er würde über ihr schweben, sich vorbeugen, um einen letzten Kuss von ihren im Schlaf geteilten Lippen zu stehlen, während er alle leeren Stellen in ihr mit sich füllte. Dann würde sie am Morgen voller Sehnsucht erwachen, ohne sich an mehr zu erinnern, als an den Traum von einem Mann, der sie einmal geliebt hatte, nicht nur mit seinem Körper, sondern auch mit seiner ganzen Seele.
    Ein kehliges Kommando, gefolgt von dem Geräusch eines Dutzend Musketen, die gleichzeitig entsichert wurden, riss ihn aus seinen Gedanken.
    Es schien ganz so, als wollte man ihm noch nicht einmal eine letzte Zigarre zum Rauchen gönnen oder die Gelegenheit, mit seinem Schöpfer seinen Frieden zu machen. Er würde hier in Marokko sterben – ein Fremder in einem Land, in dem niemand ihn betrauerte, niemand über seinem blutigen Leichnam Tränen vergießen würde. Wenn die Nachricht von seinem unrühmlichen Ende nach England gelangte, zweifelte er nicht, dass seine Eltern enttäuscht seufzen würden, während sein älterer Bruder mit gewohnt stoischer Zurückhaltung die Bürde des Skandals schultern würde. Erhobenen Hauptes und all dem anderen Unsinn.
    Aber was war mit ihr?
    Würde sie ihren Schock zum Ausdruck bringen und ihr Beileid in höflichen Worten übermitteln, dann leise in ihr Taschentuch schluchzen, wenn sie glaubte, dass niemand zuschaute? Würde sie mitten in der Nacht aufwachen, von Bedauern und Reue über vertane Chancen geschüttelt, all die vergeudeten Momente, die Nächte, die sie nun niemals zusammen erleben würden?
    Er schnaubte. Es war viel wahrscheinlicher, dass sie einen Freudentanz auf seinem Grab aufführte, als seinetwegen auch nur eine einzige Träne zu vergießen.
    Er reckte die Schultern und legte den Kopf in den Nacken, wappnete sich für das, was gleich kommen musste. Tief in seinem Herzen hatte er immer gewusst, dass er eines Tages als Schurke sterben würde, nicht als Held. Aber wenigstens würde er mit der Befriedigung abtreten, dass sie nie erfahren würde, dass ihr Name das letzte Wort gewesen war, das ihm über die Lippen kam.
    Ein Trommelwirbel kündigte die letzten Augenblicke seines Lebens an.
    Er kniff die Augen unter der Binde zu. Selbst in der Dunkelheit war sie da, lachte ihn mit ihrem übermütigen Lächeln und ihren tanzenden grünen Augen an.
    Er hielt den Atem an, wartete darauf, das Kommando zu hören, das dem derben Scherz seines Lebens ein Ende bereiten würde.
    Doch was er stattdessen hörte, waren laute Stimmen, ein kurzes, aber heftiges Handgemenge und etwas, das klang, als ob ein ganzes Regiment auf den Hof stürmte, auf dem er erschossen werden sollte.
    Er verspannte sich. Es wurde etwas gerufen, das Meiste waren arabische Proteste gegen die Unterbrechung seiner Exekution. Aber es wurde auch in einer Sprache gesprochen, die er schon seit langer Zeit nicht mehr vernommen hatte. Eine Sprache, die an diesem Ort der Welt unmöglich zu hören sein konnte – das Englisch des Königs. Da er spürte, er befand sich nicht länger im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, begann er, sich an den Seilen zu schaffen zu machen, die seine Hände hinter seinem Rücken fesselten. Während die Unruhe
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