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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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einmal.
      Zu allem Überflusse habe ich, bei meiner Ankunft in der Präfektur von Montelusa, das Amt in den Fängen von Gerüchten, Vorspiegelungen, Ränken, Lügen, Verdächtigungen und Intrigen vorgefunden, die alle nur ein Ziel hatten: mir noch mehr Schaden zuzufügen, unbeirrt.
      Zudem kann ich nicht umhin, Erwägungen über die politischen Verhältnisse der Insel (vor allem aber dieser schauerlichen Provinz) anzustellen, die ganz einem mit dicken, bedrohlichen Regenwolken verhangenen Himmel vergleichbar ist, Vorbote heraufziehender Unwetter.
      Wie Ihr sehr wohl wißt, stürmen aufrührerische, verstockte Aufwiegler völlig unbehelligt über die Insel, Bakuninanhänger, Malonanhänger, Radikale, Anarchisten, Sozialisten, und säen überall mit vollen Händen die triste Saat von Aufruhr und Haß aus.
      Was nun macht der fleißige, wachsame Bauersmann?
      Wenn er in einem bis zum Rand mit köstlichen Früchten gefüllten Korb einen faulen Apfel sieht, zögert er nicht, denselben augenblicklich wegzuwerfen, damit dieser die anderen nicht anstecke und die Fäulnis sich nicht weiter ausbreite.
      Andererseits denkt mancher höheren Ortes, daß es keiner Vorkehrungen bedürfe, die andere als repressiv auffassen könnten; doch indessen, während man noch redet und diskutiert, treibt der böse Same Wurzeln, die sich stark, aber leider auch unsichtbar entwickeln.
      Und so haben sie denn eine ausgeprägte Fähigkeit darin, ihre trüben Absichten oftmals hinter dem Anschein zivilisierten Zusammenlebens zu verbergen.
      So schauen Sie sich, zum Beispiel, diese drei Briefe eines gewissen Genuardi Filippo an, die ich Ihnen in Abschrift beifüge.
      Seit drei Monaten lassen sie mich kein Auge mehr schließen. Welche Arglist! Wieviel verwegener Hohn!
      Wieso, habe ich mich gefragt, versteift er sich darauf, mich Parascianno zu nennen, wo doch mein Zuname Marascianno lautet?
      Darüber habe ich lange nachgedacht, zuweilen sogar, das gebe ich zu, die Pflichten meines Amtes vernachlässigend, doch am Ende kam ich der Sache auf den Grund.
      Indem dieses unflätige Subjekt das »M« meines Nachnamens mit dem »P« vertauscht, spielt er in Wirklichkeit auf etwas Doppeldeutiges an. Doch, doch, denn in unserer Mundart bedeutet »parascianno« (oder mitunter auch »paparascianno«) das gleiche wie »barbagianni«, und es dürfte auch Ihnen bekannt sein, daß man damit eine Person bespitznamt, die alt ist und einem auf die Nerven geht.
      Doch bis hierhin – transeat. Gehen wir darüber hinweg.
      In seiner luzipherischen Bosheit jedoch begnügt sich dieser Genuardi nicht mit Anspielungen, sondern geht zu ehrenrühriger Beleidigung über.
      Im trivialsten Jargon der neapolitanischen Unterwelt beschreibt man mit »parascianno« (oder eben auch »paparascianno«) ein männliches Glied von animalischen Ausmaßen.
      Letzten Endes also nennt mich dieses unflätige Subjekt, durch die scheinbar harmlose Vertauschung eines Konsonanten, so etwas wie »du riesenviechgroßer Schwanz!«.
      Und noch etwas: Warum wird mit jedem Briefe sein Servilismus gegenüber meiner Person immer deutlicher?
      Worauf will er hinaus? In welchen Hinterhalt schleift er mich?
      Ich bin hier, um Euere großzügige Hilfe zu erbitten. Könntet Ihr Informationen über die politische Gesinnung dieses Genuardi bei dem einen oder anderen Euerer Untergebenen in Vigàta erfragen?
      Ich meinerseits werde ein Gleiches bei den Carabinieri thun.
      Mit Dankbarkeit und aufrichtiger Freundschaft, Ihr allerergebenster

    Vittorio Marascianno

    P.S. Wie Ihr gewiß bei Eurer hohen Intelligenz und Finesse bemerkt haben werdet, wollte ich absichtlich kein Papier mit Briefkopf der Königlichen Präfektur verwenden. Ich bitte Euch daher, zu dem gleichen Kniffe zu greifen, sofern Ihr eine Antwort für mich habt.

    (Vertraulich)

    An den
    Hochverehrten Commendatore
Corrado Parrinello
Viale Cappuccini 23
Montelusa

    Montelusa, am 15. Oktober 1891
    Hochwerthester Commendatore,
    mein unersetzlicher Vorgänger, der gottselige Grande Ufficiale Emanuele Filiberto Bàrberi‐Squarotti, hatte, als er mir das Königliche Polizeipräsidium übergab, ganz privat Ihre Person als jemanden gepriesen, der jeglichen Vertrauens würdig und jederzeit, im allerhöchsten Interesse unseres Landes, zur diskreten Zusammenarbeit mit unserem Amte bereit sei.
      Glücklicherweise habe ich bis gestern keinerlei Nothwendigkeit gesehen, mich an Sie zu wenden und
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