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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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Ihre großzügige Bereitwilligkeit in Anspruch zu nehmen. Jetzt aber fühle ich mich verpflichtet, Sie über eine Frage von heikelster Feinfühligkeit in Kenntnis zu setzen, für deren Lösung ich Ihres erleuchtenden Rates bedarf, damit wir, eventuell, im Verbunde verfahren können.
      Von Ihrem Vorgesetzten, dem Präfekten von Montelusa,Vitto‐ rio Marascianno, habe ich einen vertraulichen Brief erhalten, dem drei weitere an ihn gerichtete Briefe von einem gewissen Genuardi Filippo aus Vigàta beigefügt waren.
      In diesen drei Briefen hat Seine Exzellenz Verhöhnung, Beleidigung und unterschwellige Drohung erkennen wollen.
      Ganz offen und vollkommen aufrichtig gesagt, habe ich in diesen Schreiben nichts dergleichen entdecken können.
      Der Ton des Briefes Seiner Exzellenz dagegen hat mich in Alarm versetzt, weil er, wie soll ich sagen?, eine Erregung seines Gemüthes erkennen läßt, welche dazu führt, nicht vorhandene Schatten zu beschwören.
      Sie verstehen, daß, in einem so heiklen politischen Augenblicke, wie dem derzeitigen, eine nicht perfekt ausgeglichene Autorität, die nicht Herr ihrer selbst und ihrer Handlungen ist, ein ernsthaftes Fiasko herbeiführen kann, ganz abgesehen von unvorhersehbaren Entwicklungen.
      Ihnen obliegt indessen die Pflicht, mit mir darüber zu sprechen.
      Vorsichtshalber habe ich an Ihre Privatanschrift geschrieben.
      Besuchen Sie mich so bald wie möglich.
      Mit dem Ausdruck höchster Werthschätzung,

    Arrigo Monterchi

    POLIZEIDIENSTSTELLE VON VIGÀTA

    An den
    Herrn Polizeipräsidenten
von
Montelusa

    Vigàta, am 18. Oktober 1891

    Betreff: Genuardi Filippo

    GENUARDI FILIPPO (genannt Pippo) – Sohn des verschiedenen Giacomo Paolo und der ebenfalls verschiedenen Posacane Edelmira – geboren in Vigàta, am 3. September des Jahres 1860, und daselbst wohnhaft in der Wohnung der Mutter in der Via Cavour Nr. 20.
      Lange Zeit ohne Beruf, auf Kosten der Mutter (einer Witwe) lebend, handelt er seit drei Jahren mit Holz.
      Seit fünf Jahren ist er mit Gaetana (genannt Taninè) Schilirò verheiratet, einzige Tochter des Emanuele (genannt Don Nenè) Schilirò, Schwefelhändler, Eigenthümer der Mine Tagliacozzo in der Provinz von Caltanissetta und einer Schwefelveredelungsfabrik in Vigàta, Via Stazione Nuova.
      Emanuele Schilirò gilt, zu Recht, als der vermögendste Mann von Vigàta. Witwer geworden, hat er vor nunmehr sechs Jahren wieder geheiratet, und zwar die dreißigjährige Calogera (genannt Lillina) Lo Re, Tochter eines Schwefelhändlers aus Fela. Die Ehe, die offensichtlich auf Grund eigennütziger Interessen zwischen dem alten Schilirò (zweiundsechzig Jahre alt) und der jungen Lo Re zustande gekommen ist, sorgte im Ort für abfällige Bemerkungen, die bald aber schon durch das untadelige Verhalten der jungen Gattin zum Schweigen gebracht wurden. Heftig war der Widerstand Emanuele Schiliròs gegen die Verlobung seiner einzigen Tochter mit einem abgebrannten Subjekt wie dem Genuardi; doch war alles vergebens, jener mußte sich der blinden Starrköpfigkeit seiner Tochter beugen, die sogar einen Selbstmord versuchte, indem sie sich ins Meer stürzte. Mit der Aussteuer seiner Gattin konnte Genuardi, der ein kostspieliges Leben zu führen begann, ein Holzlager eröffnen. Die Beziehungen zwischen dem Schilirò und seinem Schwiegersohne bewegen sich im Rahmen gebührlicher gegenseitiger Besuche. Doch muß hinzugefügt werden, daß Signora Genuardi, auf Grund der wechselhaften Geschäftserfolge ihres Gatten, ziemlich häufig gezwungen ist, bei ihrem Vater vorstellig zu werden.
      Mit anderen Worten: hätte der Genuardi nicht seinen Schwiegervater im Rücken, wäre er längst bankrott.
      Genuardi hat sich, in der ersten Zeit seiner Ehe, ganz sicher keine ehebrecherischen Beziehungen von unterschiedlicher Dauer erspart. Unter anderem ist allgemein bekannt, daß der Genuardi noch in der Hochzeitsnacht, nachdem er ein paar Stunden mit seiner ihm frisch angetrauten Gattin verbracht hatte, sich in der Kutsche zum Hotel Gellia von Montelusa aufmachte und mit einer Varietétänzerin in fleischlicher Vereinigung bis zum Morgen beisammen war. Es bleibt jedoch anzumerken, daß der Genuardi, seit nunmehr mindestens zwei Jahren, sich den Kopf zurechtgerückt hat und einen einwandfreien Lebenswandel führt, man weiß von keinen Frauen um ihn, er gibt sich keinen flüchtigen Vergnügungen mehr hin. Derlei Seitensprünge blieben seiner Gattin immer
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