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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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Montelusa

    Vigàta, am 12. August 1891
    Hochverehrteste, hochwertheste Exzellenz!
    Der Unterzeichnete GENUARDI Filippo, Sohn des hingeschiedenen Giacomo Paolo und der ebenfalls hingeschiedenen Posacane Edelmira, geboren in Vigàta (Provinz Montelusa), am 3. des Monats September 1860, und daselbst wohnhaft in der Via Cavour Nr. 20, Holzhändler, vermaß sich, mit Datum vom 12. Juni diesen Jahres, will sagen vor genau zwei Monaten, der vortrefflichen Großmuth, dem weit blickenden Verständnis und der väterlichen Güthe Eurer Exzellenz ein Bittgesuch zu unterbreiten, um Kenntnis über die nothwendigen Auflagen (Dokumente, Zertifikate, Bescheinigungen, Zeugnisse, beglaubigte Aussagen) hinsichtlich der Antragstellung an die Regierung zur Bewilligung eines Telephonanschlusses zum privaten Gebrauche zu erhalten.
      Gewiß auf Grund eines ganz einfachen Versehens, das der Unterzeichnete nicht einmal im Traume der Königlichen Post‐ und Telegraphenverwaltung anrechnet, hat er keinerlei Antwort erhalten und sah sich daher zu seinem größten Bedauern veranlaßt, Euere Exzellenz noch einmal, mit Datum vom 12. Juli diesen Jahres, zu behelligen.
      Doch auch dieses zweite Mal erhielt er nicht die erbetene Antwort.
      In der Gewißheit, das stolze Schweigen Eurer Exzellenz nicht verdient zu haben, wirft sich der Unterzeichnete ein drittes Mal vor Euch auf die Knie, um Euer Erlauchtes Wort zu erflehen.
      Zutiefst dankbar für die güthige Aufmerksamkeit und mich außerordentlich für die Störung entschuldigend, die ich Eueren Hohen Amtswaltungen verursacht habe, verbleibe
                                                           ich unterthänigst und hochachtungsvoll

    Genuardi Filippo

    P.S. Wie Euere Exzellenz durch Vergleich dieses Schreibens mit den beiden vorausgegangenen ersehen können, ist meine gottselige Mamma, wie es der Lauf des Lebens mit sich bringt, vom Allerhöchsten zu sich gerufen worden, und der Unterzeichnete ist daher in die freistehende Wohnung derselben verzogen, die sich, wie bereits gesagt, in der Via Cavour Nr. 20 befindet.

    An den
    Sehr Geehrten Buchhalter
Signor Rosario La Ferlita
Piazza Dante 42
Palermo

    Vigàta, am 30. August 1891
    Theuerster Sasà,
    erst gestern noch, hier bei uns, als wir im Club waren, sprach Don Lollò Longhitano öffentlich über Dich (genauer gesagt, er sprach schlecht über Dich). Er, Don Calogero, behauptete nämlich, daß Du, nachdem Du beim Spiel mit seinem Bruder Nino satte zweitausend Lire verloren habest, von der Bildfläche verschwunden seist. Don Lollò betonte, es sei allgemein anerkannt, daß Spielschulden innerhalb von vierundzwanzig Stunden beglichen werden müßten, Du Dir aber zweitausendfünfhundertzweiundsiebzig Stunden genommen habest, die Rechnung bis gestern abend um acht offenzuhalten. Da ich den Commendatore Calogero Longhitano gut kenne, mit dem nicht gut Kirschen essen ist, wenn ihm die Eier dampfen (und gestern abend dampften sie ihm), habe ich mir, im Namen unserer alten Freundschaft, erlaubt, ihn zu unterbrechen. Wohl wissend, welchem Risiko ich mich aussetzte, als ich das that: Don Lollò ist gefährlich widersprüchlich, und mit ihm scherzt man nicht. Doch das Bewußtsein unserer Freundschaft war stärker. Überaus freundlich, aber nicht weniger bestimmt, erinnerte ich ihn daran, daß jeder Dich als Person kenne, die eingegangene Verpflichtungen immer erfüllt. Trotz seiner Antwort (die ich Dir hier nicht wiedergebe, weil ich Dir keinen Schmerz verursachen will), fügte ich noch hinzu, daß Du Dich seit zwei Monaten in Neapel aufhieltest, in einem Krankenhaus, wegen eines schweren Lungenleidens. An diesem Punkt nun wollte Don Lollò die Anschrift des Krankenhauses aus mir herauspressen, aber es war mir irgendwie gelungen, mich um die Antwort zu drücken. Zurück zu Hause, habe ich gleich drei Gläschen französischen Cognacs trinken und mir das verschwitzte Hemd wechseln müssen: sich einer Auseinandersetzung mit dem Commendatore zu stellen, kann, mitunter, einem Selbstmorde gleichkommen. Sicher bin ich mir aber, daß Don Lollò es noch einmal versuchen wird, Deine Anschrift in Erfahrung zu bringen: Er will, daß Du die zweitausend Lire, die Du seinem Bruder schuldest, ausspuckst. Hoffen wir, daß ich, mit festem Herzen, ihm weiterhin Deine richtige Anschrift verhehlen kann, die Du mir als Unterpfand für unsere eisernen Freundschaftsbande hast enthüllen wollen. Mit diesem
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