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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: nanu
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schlimmsten Fall halten wir sie hin. Wir hören uns ihre Beschwerden an, tun so, als würden wir mit ihnen verhandeln, während die Rettungskräfte – in diesem Fall ein SEAL-Team, also eine Anti-Terror-Einheit der Marines – die Vorbereitungen zur gewaltsamen Erstürmung des Flugzeugs treffen.«
    Rita nickte. »Verstehe.«
    »Die eigentliche Stürmung dauert ungefähr dreißig Sekunden«, erklärte Gina der Therapeutin. »Aber alles ist bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt. Sie müssen die Türen aufsprengen und die Entführer umbringen und gleic h zeitig aufpassen, dass keine Passagiere zu Schaden kommen. Die Vorbereitungen nehmen eine Menge Zeit in Anspruch.«
    Rita konzentrierte sich auf Gina. »Und Sie waren die ganze Zeit über in diesem Flugzeug? Stundenlang?«
    »Tage«, korrigierte Max grimmig. Er ließ sich zurüc k sinken. Das war etwas, worüber Gina reden musste, was sie bewältigen musste: Ihre qualvollen Erfahrungen als Geisel. Sosehr er Therapien auch verabscheute, er hätte sich freiwillig Stecknadeln unter die Fingernägel geschoben, wenn sie dadurch endlich hätte Frieden finden können. »Die Flugzeu g entführer hatten eine Passagierliste in die Finger bekommen, auf der auch Karen Crawford stand, die Tochter von Senator Crawford.«
    »Bloß, dass ihr Ticket gestohlen worden war«, warf Gina ein.
    »Die Entführer wollten, dass Karen Crawford sich meldet. Aber das tat sie natürlich nicht, weil sie gar nicht an Bord war. Also haben die bewaffneten Männer gedroht, sämtliche Flugzeuginsassen zu töten, und da ist Gina aufgestanden und hat sich als Karen Crawford ausgegeben.« Max konnte nicht mehr weiterreden. Er musste sich räuspern. Ihre unglaubliche, selbstlose Tapferkeit beeindruckte ihn immer noch zutiefst. »Sie haben sie ins Cockpit gebracht, weg von den anderen Passagieren.«
    »Mit vorgehaltener Waffe, die ganze Zeit über.« Rita atmete schwer. »Ganz alleine?«
    Gina schüttelte den Kopf. »Ich war nicht allein. Max war bei mir.«
    Verdammt, das behauptete sie jedes Mal. »Ich war im Flughafen-Terminal«, sagte er zu der Therapeutin. »Ich habe über Funk Kontakt zum Flugzeug gehalten. Gina war eine Art Vermittlerin, weil die Terroristen nicht direkt mit mir sprechen wollten. Also habe ich mit ihr gesprochen, immer in dem Wissen, dass die anderen zuhören.«
    »Das ist aber nicht der einzige Grund, wieso du mit mir g e redet hast«, sagte Gina.
    Sie hatte Recht. Er hatte sich von Anfang an auf völlig u n passende Art und Weise zu ihr hingezogen gefühlt.
    »Hat sie Ihnen all die Verletzungen aufgezählt, die ihr z u gefügt worden sind, während ich ›bei ihr‹ in diesem Flugzeug war?«, fragte Max die Therapeutin. Er nahm die Finger zu Hilfe. »Handgelenk gebrochen, Rippen gebrochen, blaues Auge, diverse Schnittwunden und Prellungen …«
    »Sie hat von der Attacke gesprochen«, sagte Rita. »Natürlich.«
    »Nein, nein, das ist nicht das richtige Wort«, widersprach Max. »Wir halten es lieber mit der brutalen Ehrlichkeit. Wir nennen es beim Namen. Es war eine Vergewaltigung.«
    Das Wort schien in der sich anschließenden Stille widerz u hallen, und er spürte, wie sich seine Kehle zuzog, sein Magen sich verknotete. Ach Gott …
    »Das muss ja schrecklich gewesen sein, Max«, meinte Rita leise. »Zuzuhören, Zeuge dieser Grausamkeiten zu werden. Gina hat erwähnt, dass dort auch Überwachungskameras waren. Es muss ein vernichtender Schlag für Sie gewesen sein, das zu beobachten.«
    Wieso redete sie eigentlich mit ihm? »Aber für Gina noch schlimmer, meinen Sie nicht?«
    »Ich habe endlich angefangen, mir selbst zu verzeihen, Max«, sagte Gina. »Mein Gott, du warst es doch, der mir immer wieder gesagt hat, es sei nicht mein Fehler gewesen, ich hätte die Männer nicht provoziert. Wieso kannst du dir nicht auch verzeihen?«
    Die Therapeutin wandte sich zu ihm. »Schauen wir uns das Ganze einmal etwas genauer an. Wissen Sie noch, was Sie empfunden haben, was Sie …«
    »Was? Machen Sie Witze?« Natürlich nicht. Therapeuten machen nie Witze. Im Handbuch für Therapeuten standen Witze in Gegenwart von Klienten auf der ellenlangen Liste der Dinge, die Sie unbedingt vermeiden müssen!, gleich hinter dem exzessiven Gebrauch von Furzkissen und Plastikkotze sowie dem Tragen weißer Mäntel nach dem Labour Day A n fang September.
    Aber jetzt hatte Max es endlich kapiert. Sie waren gar nicht wegen Gina hier, sondern wegen ihm.
    Als ob das etwas nützen würde. Als ob dieses
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