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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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Ich komme später nach.« Wieder ruckte der Schoner an. Arflane rutschte ein Stück über das Deck, kehrte zu Ulrica zurück und begleitete sie zur Brücke.
    Als sie in Sicherheit war, kämpfte er sich bis zum Bug vor und versuchte, nach vorn zu blicken. Aber er erhaschte nur hin und wieder einen flüchtigen Blick von den Klippen, während der Schoner auf seinen schadhaften Kufen ruckte und holperte. Er erreichte das Bugspriet, hielt sich mit der einen Hand am Stagsegel fest, beugte sich weit vor und berührte mit der anderen Hand die Schädelknochen der Wale, als seien sie in der Lage, eine gewisse Kraft und Energie auf ihn zu übertragen. Der Schneevorhang öffnete sich sekundenlang, und Arflane sah die dunklen Silhouetten der Eisklippen genau vor dem Bug. Sie schienen näher zu kommen, zusammenzurücken und den Schoner in die Enge zu treiben. Es konnte nur eine optische
    Täuschung sein, aber sie störte ihn empfindlich.
    Dann begriff er, was es tatsächlich war. Der Paß wurde schmaler und schmaler. Vielleicht hatten sich die Eisberge bewegt, denn nur noch ein winziger Spalt trennte sie voneinander. Und der Schoner Ice Spirit würde niemals hindurchkommen. Er stolperte über das Deck zurück und Urquart entgegen. »Anker werfen!« keuchte er. »Um der Mutter des Eises willen, Anker werfen, Mann!«
    »Anker werfen!« gab Urquart den Befehl weiter, während Arflane zur Kabine raste. Er dachte jetzt nur an Ulricas Sicherheit.
    Er erreichte die Kabine in dem Augenblick, als der Schoner
einen gewaltigen Luftsprung machte. Ulrica war da, ihr Mann
stand neben ihr.
»Ich – ich habe ihn befreit«, stammelte sie.
    »Alles an Deck«, schrie Arflane. »Wir haben kaum Aussicht, mit dem Leben davonzukommen.«
    Ein letzter heftiger Krach; dann hakten die schweren Anker in das Eis.
    Arflane kletterte an Deck und sah erstaunt, daß sie kaum zehn Meter von der Stelle entfernt waren, wo der Schoner hätte entweder gegen die Klippen krachen oder von ihnen zerquetscht werden müssen. Aber die Ice Spirit hatte noch immer Fahrt.
    Jetzt gaben die Backbordkufen nach, brachen mit einem scharfen Krachen zusammen, und der Schoner legte sich auf die Seite. Er drehte sich mit dem Sturm in den Segeln und fegte die Besatzungsangehörigen gegen die Backbordreling. Arflane packte Ulrica und griff mit der anderen Hand nach einem Schleppseil.
    Es kam jetzt darauf an, das Schiff zu verlassen und sich, gemeinsam mit Ulrica, auf das Eis zu retten. Er hangelte sich hinunter, Ulrica an sich gepreßt. Dann stand er auf dem Eis und stemmte sich gegen den Sturm.
    Durch den Blizzard konnte er weder die Klippen erkennen noch etwas von dem Schoner sehen.
    Er hörte es splittern und krachen und noch ein anderes Geräusch, als das durch die Erschütterung locker gewordene Eismassiv abwärtszugleiten begann.
    Schließlich entdeckte er einen verhältnismäßig fest aussehenden Überhang an der fernen Wand der Schlucht. Keuchend blieb er stehen und drehte sich nach dem zusammengebrochenen Schoner um. Er wußte nicht, ob noch einige der anderen Leute davongekommen waren. Einmal hörte er eine Stimme, die offenbar von Janek Ulsenn stammte.
    »Er wollte es nicht anders haben! Er wollte es …!«
    Die Stimme war so bedeutungslos wie der Ruf eines Vogels. Der Sturm brüllte lauter und zerfetzte die Stimme, als die große Eislawine auf das Schiff herabpolterte.
    Arflane und Ulrica starrten schreckensbleich auf den Schoner, als er von den niederprasselnden Eismassen begraben wurde. Die Masten splitterten wie Streichhölzer; dann krachte das Deck zusammen, und all das mit einer Geschwindigkeit, die Arflane nicht für möglich gehalten hätte. Eine Wolke von Schnee und Eissplittern stieg aus der schmalen Schlucht empor und wurde vom Sturm davongerissen. Es sah aus, als wäre der Schoner von einer weißen Hölle verschlungen worden. Arflane kamen die Tränen, als er hilflos starrte. Die Zerstörung des Schoners mußte das Ende aller Hoffnungen bedeuten. Er schlang seine Arme um Ulrica und preßte sie an sich – mehr um sich selbst zu trösten, als an sie zu denken.

    22

    Am nächsten Morgen schneite es nicht mehr, aber der Himmel lastete grau und schwer über den düsteren Gipfeln der Gletscher. Der Sturm hatte nachgelassen, kaum daß der Schoner zerschmettert war, so als sei die Vernichtung seine einzige Bestimmung gewesen.
    Arflane und Ulrica gingen zögernd auf die Schnee- und Eismasse zu, unter der der Schoner begraben war. Rorsefne und Ulsenn gesellten sich zu
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