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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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er gellend auf und taumelte, Urquarts Harpune in der Brust, zurück. Er stürzte rücklings auf das Deck. Die anderen standen da wie betäubt und starrten auf ihren sterbenden Anführer.
    »Genug jetzt«, sagte Arflane. »Kehrt auf eure Posten zurück!«
    Da brüllten die Matrosen wie aus einer Kehle auf und stürmten auf die Brücke los. Arflane packte Ulrica, führte sie ins Steuerhaus und schloß die Tür. Dann drehte er sich um und sah, daß Urquart und Rorsefne sich über das Brückengeländer schwangen und nach unten rannten.
    Arflane fühlte sich verraten und bereitete sich auf den Zusammenprall mit den Meuterern vor. Er war unbewaffnet. Der Schoner schien jetzt völlig der Gnade des Sturms ausgeliefert zu sein. Schneewolken fegten durch das Takelwerk, der Schoner schwankte auf seinen beschädigten Kufen. Arflane stand allein auf der Brücke, als die ersten Matrosen vorsichtig heraufzuklettern begannen. Er wartete, bis der erste Mann ihn ansprang. Dann setzte er ihm die Faust aufs Kinn, entriß ihm das Walmesser und schmetterte es auf seinen Schädel. Eine Schneewolke fegte über die Brücke und den Meuternden ins Gesicht. Arflane schlug wie ein Berserker auf sie ein. Dann tauchten Urquart und Rorsefne hinter ihnen auf. Urquart hatte seine Harpune wieder, und Rorsefne war mit einem Bogen und einem Walmesser bewaffnet. Er schoß kaltblütig seine Pfeile in die Rücken der Matrosen. Bestürzt machten sie kehrt.
    Der Schoner ruckte zur Seite. Rorsefne stürzte; Urquart konnte sich im letzten Augenblick an einer Leine festhalten. Die meisten Leute stürzten in alle Richtungen. Arflane ließ sein Walmesser fallen und klammerte sich an das Brückengeländer. Die ruckartigen Bewegungen des Schoners schienen kein Ende mehr zu nehmen. Arflane richtete sich mühsam auf. Sein roter Bart wehte im Sturm, seine Pelzjoppe war offen. Mit der einen Hand hielt er sich am Geländer fest, mit der anderen gestikulierte er und schrie: »Rorchenof hat euch getäuscht! Wir müssen so rasch wie möglich durch diesen Paß. Schaffen wir es nicht, dann ist der Schoner erledigt!«
    Ein Matrose reckte den Hals, und seine Augen blickten so wild wie die von Arflane. »Warum? Warum, Kapitän?« »Der Schnee! Hält uns der Blizzard fest, sind wir blind und hilflos! Lockeres Eis wird von den Klippen auf uns herabstürzen und den Weg versperren. Dann sammelt sich in den Zwischenräumen der Schnee und macht jede Bewegung unmöglich. Wenn wir nicht erdrückt werden, sitzen wir im Schnee fest!«
    Oben riß sich ein Segel los und flatterte mit donnerndem Getöse gegen den Mast. Das Heulen des Sturms wurde noch lauter; der Schoner wurde seitwärts auf eine Klippe zugetrieben und schien sie zu berühren, bevor er wieder in die Mitte der Schlucht glitt.
    »Aber wenn wir weitersegeln, werden wir früher oder später an einer Klippe zerschmettert!« rief ein anderer Matrose. Arflane grinste, reckte beide Arme und antwortete: »Einen raschen Tod statt eines langsamen, wenn wir wirklich Pech haben sollten. Aber wenn unser Glück anhält – und Sie wissen, daß ich Glück habe –, dann sind wir in der Frühe durch und haben nur noch einige Tage bis New York.«
    »Sie hatten Glück, Kapitän«, rief der Matrose, »aber es heißt, daß Sie nicht mehr der Auserwählte der Mutter des Eises sind, daß Sie gegen Ihren Willen handeln. Die Frau …«
    Arflane lachte hart. »Sie werden meinem Glück vertrauen müssen, Freund. Das ist nämlich alles, was Sie haben. Weg mit
    den Waffen!«
    »Der Sturm muß uns durch den Paß treiben – das ist unsere einzige Chance.« Urquart hatte das gesagt.
    Die Männer ließen ihre Walmesser sinken, ohne restlos überzeugt zu sein.
    »Ihr seid besser beraten, wenn ihr jetzt nach den Segeln seht!« rief Manfred Rorsefne durch den Sturm. »Aber die Kufen –«, setzte ein Matrose an.
    »Darum kümmern wir uns schon«, sagte Arflane. »Jetzt endlich an die Arbeit. Niemand wird bestraft werden, wenn wir den Paß hinter uns haben. Das verspreche ich euch. Wir müssen zusammen arbeiten – oder zusammen sterben!«
    Die Matrosen begannen sich furchtsam zu verstreuen.
    Ulrica stolperte aus der Steuerhaustür und über das Deck auf Arflane zu. Der Sturm zerrte an ihrer Kleidung, und der Schnee peitschte ihr ins Gesicht. »Bist du sicher, daß die Leute unrecht haben?« fragte sie aufgeregt. »Wäre es nicht besser …?« Er grinste nur und zuckte die Achseln. »Das ist unwichtig, Ulrica. Geh nach unten und ruhe dich aus, wenn du kannst.
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