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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte
Autoren: Hans-Christian Huf
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Probleme, die auf eine schnell alternde, relativ geburtenschwache Nation zukommen, die bis jetzt keine Altersversicherung und kein zukunftsträchtiges Gesundheitssystem kennt.
    Und noch ein wesentliches gesellschaftliches Verhalten sehen die Zukunftsforscher in positivem Wandel: Hatte man nach dem Zweiten Weltkrieg in allen führenden Industriestaaten auf gigantische Produktionssteigerung, wirtschaftlichen Aufschwung und vermehrten Konsum gesetzt, so scheint mit der Jahrtausendwende eine langfristige Trendumkehr eingeläutet: Der Jagdtrieb der Konsumenten im Sinne einer »Geiz-ist-geil«-Mentalität erschlafft. Der moderne Mensch wird es allmählich leid, nur noch und ausschließlich als Konsument verstanden zu werden, zu dem ihn die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gemacht hat. Von der Rückkehr zu geistig-kulturellen Werten, einer »Back-to-Basic«-Strategie, versprechen sich nicht nur satte Wohlstandsbürger eine Reduktion ihres Alltagsstresses, sondern ganz messbar wächst weltweit der Sinn für die altbekannte Tatsache, dass der Mensch eben nicht vom Brot allein lebt.
    Noch etwas ist gerade dabei, die Welt zum Guten zu revolutionieren: Die Speicherung und Weitergabe von Informationen wird durch die neuen technischen Möglichkeiten radikal entgrenzt und demokratisiert. In Zukunft wird es für Politiker und sonstige Machthaber kaum mehr möglich sein, Dinge zu tun, die unentdeckt bleiben oder bei denen sie auf dauernde Verschleierung hoffen dürfen. Sogar die unvergleichlichen Gräueltaten eines Adolf Hitlers wären wahrscheinlich anders verlaufen, wenn vor siebzig Jahren die enorm wachsende mediale Transparenz für ihn und seine Spießgesellen schon absehbar gewesen wäre. Denn liest man in den historischen Dokumenten, was Hitler am 22. August 1939 unmittelbar vor Kriegsbeginn seinen fünfzig Generälen aller Waffengattungen auf dem Obersalzberg unverblümt diktierte, muss man daraus schließen, dass Hitler tatsächlich davon ausging, sein furchtbarer Völkermord würde im Bewusstsein der Menschen schnell verblassen und letztlich ungesühnt bleiben. Schon damals benannte er seine bereits in »Mein Kampf« klar definierte Absicht der »Schaffung neuen Lebensraums im Osten für die arische Rasse« als eigentliches Kriegsziel, für das es notwendig sei, »einstweilen nur im Osten Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken«. Und er fügte hinzu: »Wer redet heute noch über die Vernichtung der Armenier?!«, also den Völkermord, den das Osmanische Reich in den Jahren 1915 bis 1917 an bis zu 1,5 Millionen Armeniern begangen hatte. Nebst der Tatsache, dass die Führung der Deutschen Wehrmacht Hitlers verbrecherische Pläne von Anfang an gekannt hat, machen diese Worte deutlich: Hitler rechnete offenbar mit der Möglichkeit eines ungestraften Genozids – eine Hoffnung, die sich zuletzt sogar noch in Politiker- und Generalsköpfen in den Kriegen Ex-Jugoslawiens halten konnte, die aber angesichts der neuen medialen Möglichkeiten glücklicherweise keiner Realität mehr entspricht.
    Wikileaks ist nur ein schwacher Vorbote für den enormen, begrüßenswerten Zuwachs an Transparenz bei politischen Vorgängen aller Art in der Zukunft. Warum auch sollte es »Hinterzimmer-Diplomatie« geben in demokratischen Gesellschaften, deren Bürgern zu Recht im Alltagsleben tagtäglich gepredigt wird, wie wichtig Ehrlichkeit, Unbestechlichkeit, Wahrheitsliebe und Transparenz sind? Die »kleine Moral« muss auch Maßstab für die »große Moral« sein. Und die Mächtigen dieser Welt müssen ab sofort die Öffentlichkeit all ihrer politischen Handlungen mit bedenken. Der Rechtfertigungsdruck für politisches Verhalten wächst enorm. Schon jetzt gibt es weltweit kaum ein Ereignis, das nicht von irgendeiner Handykamera dokumentiert wird. Die Gewissheit, dass Ungerechtigkeiten oder gar Untaten über das Internet sekundenschnell die weltweite Öffentlichkeit erreichen, steigert das emanzipatorische Selbstbewusstsein der Bevölkerung überall auf unserem Erdball und schwächt die gefühlte Unantastbarkeit der Herrschenden. Für Diktatoren aller Couleur wird es in dieser Atmosphäre kontrollierender Transparenz immer enger. So wird die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts die Zeit der »Diktatoren-Dämmerung« werden, wie es sich in der
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