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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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irgendwie muss ich meinen Telefonwecker überhört haben. Aber einen Tag zwischendurch zu pausieren, soll ja ganz gut für die Muskeln sein.
    In der Sitzung präsentiere ich den versammelten Ressortleitern meine Idee und ernte rundherum nur Lob. Das bin ich gar nicht gewohnt. Ich sehe irritiert zu meinem alten Freund Droch. Er hockt in seinem Rollstuhl und sieht neutral drein. Das ist für ihn schon fast so etwas wie der Vorschlag zum Pulitzerpreis. Selbst der stellvertretende Chefredakteur, der mich nun wirklich nicht ausstehen kann, murmelt etwas wie: „Das ist am Puls der Zeit.“
    Und der Chefredakteur meint: „Da haben wir ein Thema, das die Menschen betrifft, das interessiert sie. Was hältst du davon, wenn wir daraus eine Serie machen? Samt Tipps zum Energiesparen. Nicht missionarisch, sondern praktisch. Und in bewährter Weise recherchiert: Was ist Schmäh? Was ist echt? Wie werden wir Atomstrom los? Wie sichern wir Energieversorgung und Umwelt gleichermaßen? Was kostet das? Wer verdient daran?“
    Ich nicke.

[ 2. ]
    Ich bin mit dem Auto nach Ravensbach unterwegs. Es liegt nur sieben Kilometer hinter der Stadtgrenze von Wien, hat mir mein Navigationsprogramm versichert. Dort ist die Zentrale von „PRO!“, der Ökoenergiefirma, die Oskar so gut gefällt. Eigentlich hätte ich auch die U-Bahn nach Leopoldau nehmen können und danach … was danach? Sieben Kilometer zu Fuß gehen? Auf einen Bus warten, wenn es überhaupt einen gibt? Außerdem habe ich Laptop und für alle Fälle auch meinen Fotoapparat mit. Umweltbewusstsein hat eben Grenzen. Und die haben bei mir mit Bequemlichkeit zu tun. Die Sprecherin von „PRO!“ hat für mich Zeit. Scheint kein allzu großes Unternehmen zu sein, wenn sie sofort verfügbar ist. Ihre Sonnenaufkleber sind in Wien freilich immer häufiger zu sehen. Vielleicht erspart sich „PRO!“ bloß das internationale Business-Brimborium mit Anmeldung und Suche nach freien Terminen der Führungsspitze, während Mister Manager ohnehin am Computer Tetris spielt.
    Ich kurve durch Ravensbach. Es ist ein verschlafenes Straßendorf, Hausfront an Hausfront gereiht, manche wunderschön herausgeputzt mit Stuckarbeiten aus der Zeit der vorigen Jahrhundertwende, andere mit grauen Fassaden und riesigen Alurahmenfenstern, wie sie in den Siebzigerjahren Mode waren. Fenster, die nicht verrotten, die man nie mehr streichen muss, die auf ewig gleich scheußlich bleiben. Zwei Hinweistafeln: eine, dass es hier Bio-Erdäpfel zu kaufen gibt, eine andere, dass man um die Ecke einen Feng-Shui-Masseur findet. Nur wenige Wege zweigen von der Hauptstraße ab. Am Ende des traditionell gewachsenen Dorfs eine neu angelegte Siedlung, Einfamilienhaus neben Einfamilienhaus, die kleinen Grundstücke voneinander abgegrenzt durch Maschendrahtzäune und Thujenhecken. Wahrscheinlich leben hier vor allem die aufs Land gezogenen Wiener. „Bauplätze zu verkaufen!“, steht auf einem großen Schild. Okay, in diesem Ort bekommt man also Bio-Erdäpfel, Feng-Shui-Massagen und Bauplätze. Aber wo ist „PRO!“?
    Ich fahre langsam weiter, habe das Ortsende passiert, bin auf einer schmalen Landstraße. Felder rechts, Felder links. Mein Navi behauptet, dass ich in vierhundert Metern mein Ziel erreicht habe. Auf einem großen, abgeernteten Acker bewegen sich die Rotoren von acht Windrädern. „Steppe hinter Wien“ nennt Oskar diesen Landstrich gerne, das flache Gebiet, bevor das eigentliche Weinviertel mit seinen grünen Hügeln beginnt. Platz gibt es hier jedenfalls genug. Ich mag die riesigen Windverwerter. Allein die Vorstellung, dass aus bewegter Luft Energie entsteht, gefällt mir. Außerdem weiß ich so, woher der Wind weht. Und wie stark er ist. Das Gequatsche von unberührter Natur geht mir auf die Nerven. Was ist noch unberührt? Vor ein paar tausend Jahren war da wahrscheinlich Wald. Hätte man verhindern sollen, dass Siedlungen, dass Felder entstehen? – Hat „PRO!“ hier irgendwo zwischen den Windrädern ein Häuschen? Ich kneife die Augen zusammen. Vielleicht ist es bloß ein sehr kleines Gebäude, das hinter einer der mächtigen Windradsäulen verborgen ist. Wäre wahrscheinlich besser gewesen, zuerst im Internet zu recherchieren, statt mich gleich auf den Weg zu machen. Warum soll es unter den Ökofirmen nicht auch welche geben, die mehr scheinen, als sie sind? Ist ja in Zeiten des Internets einfach. Eine nette Homepage und drei Aktivisten, die in Wien jede Menge Aufkleber verteilen, und schon wirkt es,
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