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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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als hätte das Unternehmen Potenzial.
    Am Ende der Straße dürfte ein Sägewerk oder so etwas sein. Ich sehe Gebäude, Berge von zerkleinertem Material. Dahinter beginnt der Wald. Ich werde dort fragen. Die werden „PRO!“ doch wohl hoffentlich kennen.
    „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, sagt mein Navi mit computergesteuerter Diensteifrigkeit. Rechts ein abgeerntetes Feld, links der Acker mit den Windrädern. Ich fahre auf das Haus vor mir zu. Zwei große Schornsteine. Schicker Bau aus Glas und Holz und schräg dahinter ein großes, elegant geschwungenes Dach auf Säulen. Darunter die Berge mit zerkleinertem Holz. Wohl Sägespäne oder so etwas. Ich atme tief ein.
    „Biomasse Sonnendorf“ steht auf einem Schild neben der Einfahrt. Daneben eine der Sonnen, die auch „PRO!“ verteilt. Das Tor steht offen, ich stelle meinen Wagen auf dem beinahe leeren Parkplatz ab. Am Rand der Fläche zwei beachtlich große Photovoltaik-Paneele. Sie sind auf Säulen montiert und scheinen sich auf den Stand der Sonne ausrichten zu können. Auf unserer Dachterrasse habe ich inzwischen so viele kleine Solarlichter, dass Oskar schon gespöttelt hat, irgendwann einmal würde ein Flugzeug das mit einer Landebahn verwechseln.
    An der Holzfront des Gebäudes ein großes Schild: „PRO!“ und eine noch größere Sonne, daneben der Eingang. Wer zum Biomasseheizwerk möchte, wird um die Ecke verwiesen. Ich schaue durch die Glastür. Ein großes Empfangsdesk mit der offenbar obligaten Sonne an der Front, dahinter zwei junge Männer in Sonnen-T-Shirts. Fast schon ein bisschen viel Sonne, finde ich. Ich drücke die Klinke, die Tür ist offen.
    „Mira Valensky vom ‚Magazin‘“, stelle ich mich vor.
    Der eine junge Mann schaut konzentriert auf einen Computerbildschirm, der andere heißt mich herzlich willkommen. „Tina ist momentan in einem wichtigen Chat, aber sie ist sicher gleich frei“, sagt er und lächelt mich an. Vielfältige Pearcings blitzen mir entgegen. Soll sich jeder schmücken, womit er möchte, aber allein die Vorstellung, dass ich mir die Nasenscheidewand oder eine Augenbraue durchbohren ließe, bereitet mir Schmerzen.
    „In einem Chat?“, frage ich möglichst ausdruckslos. Ich will nicht als vorgestrige Alte dastehen. Ein Chat ist eine Unterhaltung im Internet, das weiß ich schon – aber dass ich deswegen warten soll?
    „Wir machen viel über Facebook und diverse Internetforen“, klärt er mich auf. „Es geht um die Abstimmung unserer Kampagne und von Einzelaktionen.“
    „Ist das dann nicht für alle zu sehen?“
    „Für die im Chat. Aber auch kein Problem, wenn es sonst jemand erfährt. Vielleicht gefällt es ihm ja und er beteiligt sich.“
    Wirkt, als stünde hinter „PRO!“ eine andere Firmenphilosophie als bei herkömmlichen Energieanbietern. Ich beschließe, mich trotzdem nicht vom Sonnenschein täuschen zu lassen.
    „Okay, sie ist raus“, sagt mein Sonnen-Boy nach einem Blick auf den Bildschirm seines Kollegen. „Bitte!“
    Tina Bogners Büro liegt ein Stockwerk höher. Es ist hell, durch die Glasfront vis-à-vis von ihrem Schreibtisch sieht man über Felder und Windräder. Der Raum selbst wirkt einigermaßen konventionell: Regale an den Wänden, eine kleine Besprechungsecke, die von IKEA stammen könnte, Computer, Fernseher, heller Schreibtisch. Die Frau, die mir entgegenkommt, ist groß, schlank und wirkt, sofort nachdem sie zu sprechen begonnen hat, attraktiv: Ihre schlanken Hände sind in Bewegung, ihre braunen Augen mustern mich, das halblange schwarze Haar fällt ihr in die Stirn und muss zurückgestrichen werden. Sie vermittelt den Eindruck, als könnte sie mit ihrer Energie ein eigenes kleines Kraftwerk antreiben. Ich werde in die Besprechungsecke geleitet. Bevor sie sich mir gegenübersetzt, hat sie eine Taste am Computer gedrückt und Wasser geordert. – „Prickelnd oder still?“, hat sie gefragt und ich war einen Moment lang überfordert. „Prickelnd“, habe ich dann gesagt, weil es mir passender vorgekommen ist. „Ich auch“, hat sie zufrieden genickt.
    Jetzt liegen die wohlbekannten Sonnenaufkleber vor mir, auf Prospektmaterial würde „PRO!“ weitgehend verzichten, erfahre ich. „Erstens wegen der Papier- und damit Energieverschwendung, zweitens, weil es uns zu viel kostet, und drittens, weil sich ohnehin alle die Informationen aus dem Internet holen können – samt ständigen Updates.“
    Wie alt ist Tina Bogner? Sie könnte fünfunddreißig sein, aber auch einige Jahre
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