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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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ihrer Hand und hustete kurz.
    „Er freut sich bestimmt, dass du da bist“, sagte Sam.
    Rita lachte wieder unglücklich auf.
    „Ja, ganz bestimmt. Er wird durchdrehen vor Freude.“
    „Ja, glaub ich auch“, sagte Sam ernst. „Ich würde mich auch freuen, wenn meine Mutter nach mir sehen würde. Aber jetzt hab ich Vivian.“
    „Wo ist deine Mutter denn?“, fragte Rita. „Lebt sie noch?“
    „Ja, aber sie will mich nicht mehr.“
    „Weißt du, warum?“
    Sam schüttelte den Kopf. Er nahm die Gießkanne und kippte sich Wasser über die Hände, um sie zu säubern.
    „Ich hab nichts Böses gemacht. Trotzdem.“
    Rita bückte sich und drückte den Stängel in die Erde. Als sie merkte, dass Sam ihre Hand anstarrte, steckte sie das kleine Ding in ihre Tasche.
    „Neill wird sich nicht freuen, mich zu sehen. So verschieden sind Kinder“, sagte sie und es klang fast traurig.
    „Doch bestimmt. Du kannst ihm einen Familienkuss geben. Dann freut er sich. Mich hat das sehr glücklich gemacht. Ich hab heute schon viele bekommen. Heute war ein toller Tag. Ich hab mein Praktikum abgeschlossen, hatte doch ein Geschenk, war ohnmächtig, bin ein Sohn geworden und habe ein Blumenmeer geschenkt bekommen und viele Familienküsse.“
    Rita sah ihn etwas verunsichert an.
    „Komm, ich zeigs dir“, sagte Sam und stand auf. Er trat auf Rita zu und legte seine Hände an ihre Wangen. Dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und küsste sie auf die Stirn.
    „Bist du jetzt glücklicher?“, fragte Sam und versuchte den Ausdruck in ihrem Gesicht zu deuten. Sie sah ein paar Sekunden auf ihn herab und nickte dann langsam.
    „Das ist ein Familienkuss, hm?“
    „Ja. Du solltest Neill auch einen geben.“
    Rita wischte sich mit der Hand über die Augen.
    „Er wird das nicht wollen. Er ist nicht wie du.“
    „Weiß ich“, sagte Sam. „Aber böse Jungen sind oft nur traurige Jungen. Versuch es mit dem Familienkuss. Wenn es nicht funktioniert, kommst du wieder zu mir, und wir denken uns was Neues aus.“
    Rita lächelte und Sam bemerkte, dass ihre Augen feucht schimmerten.
    „Ich gehe mal zu George ins Haus, sonst fragen die sich, wo ich bleibe.“
    „Gut. Wenn du mich brauchst, ich bin hier. Muss noch arbeiten.“
    Sam wandte sich wieder dem Beet zu.
    Rita ging durch den Garten zur offenen Verandatür. Sie schaute sich noch einmal nach Georges ungewöhnlichem Pflegekind um. Sein blonder Schopf hing wieder nach vorne geneigt und er schien ganz in seine Arbeit vertieft. Aber dann sah er doch kurz auf und lächelte ihr noch mal zu. Sie betrat das Wohnzimmer und sah ihren Bruder fast sofort. George nahm sie kurz in die Arme.
    „Du musst nichts sagen. Es ist schon gut. Neill ist oben“, sagte George.
    „Okay. Dann geh ich mal.“ In der Tür blieb Rita stehen und drehte sich noch mal um.
    „Er ist goldig. Wirklich.“
    George lächelte ihr zu und ging danach in die Küche. Er musste Sam bald rufen, weil es Kuchen gab. Laine stand am Fenster und sah hinaus. Sie wirkte bedrückt und George witterte einen Konflikt.
    „Na, Schätzchen? Sags mir einfach.“ Er legte Laine den Arm um die Schultern.
    „Nee, lass mal. Heute ist Geburtstag.“
    „Funktioniert bei mir nicht. Sprich es aus.“ George folgte dem Blick seiner Tochter. Sam kniete vor seinem Beet und buddelte Blumen ein.
    „Ich hab das Gefühl, dass ich gar nicht mehr wichtig für ihn bin. Er hat dich und ... und Liz. Er braucht mich nicht mehr.“
    „Doch, er braucht dich. Liz ist eine gute Freundin und Rechtschreiblehrerin für ihn, aber er wird dich immer auf seine Art lieben. Er mag sie, aber du hast einen speziellen Platz in seinem Herzen. Das geht weit darüber hinaus.“
    „Glaubst du?“, fragte Laine resigniert.
    „Ich weiß es.“
    „Es ist komisch, ihn als Bruder zu haben. Er wirkt auf einmal so jung. Früher kam er mir anders vor.“
    „Das wird noch. In dieser Phase muss er sich vielleicht so verhalten. Er kann endlich mal die Verantwortung ein Stück weit abgeben und hat jemanden, der sich um ihn kümmert. Das hast du gut gemacht.“
    „Was?“
    „Dass er jetzt bei uns ist, das hat er in erster Linie dir zu verdanken. Und das weiß er genau.“
    „Wenn du das sagst.“ Laine wirkte immer noch unglücklich.
     
     
    Sam ließ Wasser auf seine Neupflanzungen fließen und sah auf, als er Laine neben sich bemerkte.
    „Hey“, sagte sie und kniete sich neben ihn vor das Beet.
    „Sieht cool aus.“
    Sam lächelte ihr kurz zu und begann, das nächste Loch zu
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