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Unter deutschen Betten

Unter deutschen Betten

Titel: Unter deutschen Betten
Autoren: Justyna Polanska
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glücklicherweise nicht mehr.

Darauf schreibe ich Einkaufszettel
    T rotz dieser unerfreulichen Episoden liebe ich mein Leben in Deutschland. Im Gegensatz zu meiner Heimat gibt es hier eben Möglichkeiten, Perspektiven, Zukunft. Und die will ich nutzen. Ich bin ehrgeizig und – so habe ich gehört – schlagfertig.
    »Du hast einen Humor wie ein Hafenarbeiter«, meinte mal eine Kundin, »derb, aber liebenswert.«
    Ich finde, am guten Humor zeigt sich, wie intelligent jemand ist. Die wirklich lustigen Menschen, die einen zum Lachen bringen, sind in aller Regel sehr schlau.
    Ich bemühe mich, lustig zu sein.
     
    Mein Deutsch ist nicht perfekt, aber ziemlich gut; nur ein polnischer Akzent und Schwächen in der Grammatik verraten meine Herkunft. Deshalb habe ich mir auch Unterstützung beim Schreiben geholt.
    Mich nerven schlecht geschriebene Bücher selbst, und ich will, dass genau rüberkommt, was ich meine.
    Das ist mir wichtig. Und ich kenne meine Grenzen.
     
    Wegen meines Akzents bekam ich mehrere Jahre lang keine Wohnung. Am Ende haben die Vermieter sich immer gegen mich entschieden – sie wollten keine Polin in ihrem Haus.
    Vor allem keine, die nicht nachweisen kann, was sie verdient.
     
    Heute wohne ich mit meinem Mann in einer neuen Wohnsiedlung. Dort gibt es kaum Ausländer. Hauptsächlich deutsche Senioren. Die Leute sind freundlich. Es ist herrlich ruhig und angenehm zu wohnen.
     
    An manchen Tagen muss ich ein wenig schmunzeln, denn irgendwie passiert es dann, dass auf der Straße nur Ruheständler mit grauen Schuhen und braunen Strickwesten herumlaufen.
    So als seien sie geklont.
    Nur eine ältere Dame, Frau Reinhardt, hat feuerrote Haare und meistens grüne oder türkisfarbene, wallende Kleider dazu an. Mit dicken Ketten und großer Handtasche. Sie ist 68. Ein herrlicher Farbtupfer im cremefarbenen Einerlei.
     
    Dass wir Ausländer sind, spüren wir hier kaum; die alten Leute sind viel toleranter, als wir uns das zu Anfang gedacht hatten.
     
    Nur eine Sache stört mich:
    Fast jede Woche falle ich über Müll, wenn ich aus der Wohnungstür trete. Den haben irgendwelche Nachbarn auf dem Gelände gesammelt und uns vor die Tür gelegt.
     
    Warum?
    Für sie ist klar: Müll, der im Garten liegt, muss von Ausländern weggeworfen worden sein. Deutsche machen so was ja nicht.
    Und weil wir die Einzigen sind, die nicht aus Deutschland kommen, tragen die ordentlichen Nachbarn den ganzen herumliegenden Müll geflissentlich zum vermeintlich Schuldigen zurück.
    Tolle Detektive!
     
    So ironisch man das auch sehen mag, es nervt mich natürlich total. Und weil ich bis heute nicht weiß, wer genau das macht, liege ich oft nachts wach und gehe alle Nachbarn durch, die es sein könnten, verwerfe wieder, überlege neu. Einige Nächte habe ich mir so schon um die Ohren geschlagen.
    Ich finde das so ungerecht, für schmutzig und unordentlich gehalten zu werden, nur weil ich nicht von hier stamme. Und ich kann noch nicht einmal die »Schmutz-Detektive« zur Rede stellen. Das hat mich schon so weit gebracht, wieder wegziehen zu wollen. Aber mein Mann beruhigt mich dann immer wieder:
»Du kannst nicht jedes Mal umziehen, wenn es Konflikte mit Nachbarn gibt. Die gibt es immer. Egal ob bei Deutschen, Italienern, Polen oder sonst wem.«
    Er hat ja recht, aber es nagt trotzdem an mir. Denn meine Wohnung ist blitzsauber. Ich kann Schmutz nicht ertragen – warum putze ich wohl beruflich?
     
    Richtig sauer wurde ich lange Zeit, wenn ich in den Wäschekeller musste. Auch hier war für einen meiner Mitbewohner offenbar klar: Wenn Filzfussel auf dem Boden herumfliegen, müssen die von chaotischen Ausländern liegengelassen worden sein.
    Was macht also ein ordentlicher Mensch?
    Er läuft die Treppen hoch in seine Wohnung, zieht ein weißes Blatt Papier aus dem Drucker, läuft die Treppen wieder hinunter in den Keller, sammelt alle Fusseln vom Boden auf, legt sie auf das weiße Blatt Papier und drapiert das Fusselblatt dann auf meiner Waschmaschine.
    Fertig ist das Mahnmal ausländischer Dreckigkeit.
     
    Diesen Nachbarn – der männliche Teil eines Seniorenpaares aus dem dritten Stock – habe ich allerdings einmal auf frischer Tat ertappt:
    Ich war auf dem Weg vom Keller zurück in die Wohnung, da kam mir der Mann mit einem weißen DIN-A4-Blatt auf der Kellertreppe entgegen.
    Vorher war mir aufgefallen, dass mehrere größere Wäschefussel fein säuberlich zu einem Haufen zusammengefegt worden waren. Ich hatte mich schon
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