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Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)

Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)

Titel: Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
Autoren: Reimund J. Dierichs
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Jahre gelitten hatte.“
    „Trotzdem entschlossen sie sich, auch ihm das Leben zu nehmen?“ Leng verstand nicht warum.
    „Mir wurde schnell klar“, fuhr Stefanie Burghausen fort, dass der Tod meines Bruders mich in der Favoritenliste meines Vaters um keinen einzigen Platz nach oben befördert hatte. Das genaue Gegenteil war der Fall. Da er sich noch mehr abschottete und noch mehr arbeitete, existierte ich für ihn gar nicht mehr. Das galt auch für meine Mutter, die darunter litt, dass sie ihn so selten sah. Und wenn er dann auftauchte, stritt ich mit ihm, machte ihm Vorwürfe, was ihn bewegte, noch später nach Hause zu kommen, nur um mich nicht mehr sehen zu müssen. Vor einigen Wochen erfuhr ich dann von meiner Halbschwester.
    „Sie wissen davon?“
    Sie lächelte. „Sie ja offensichtlich auch?“
    „Wir haben erst gestern von Dr. Irene Eitel, der Mutter des Mädchens, davon erfahr en. Wie sind Sie dahinter gekommen?“
    „Zufall, wenn Sie so wollen. Es hat mich nicht gewundert, plötzlich noch eine Halbschwester zu haben. Ich würde mich nicht einmal wundern, wenn es noch mehr Halbgeschwister gäbe; schließlich war mein Vater kein Kostverächter.“ Sie machte eine Pause, bevor sie fortfuhr. „Ich habe einen Brief gefunden, in der oberen Schublade seines Schreibtisches. Ich wunderte mich noch über seine Unvorsicht, ab er normalerweise haben weder meine Mutter noch ich den Raum in der Villa, den sich mein Vater als Büro und Lesezimmer eingerichtet hat, betreten.“
    „Also musste es einen triftigen Grund für Sie gegeben haben?“ vermutete Leng.
    „Den gab es tatsächlich. Mir war ein Bild von der Wand gefallen, und es störte mich, es auf dem Boden stehen zu sehen. Ich erinnerte mich an einen Reflexhammer, den ich einmal im Zimmer meines Vaters gesehen hatte. Sie kennen sicher dieses einfache Instrument zur Testung der Muskel-, Sehnen- und Hautreflexe. Es ist zwar nicht besonders gut zum Einschlagen von Nägeln in Wände geeignet, aber zur Not würde es gehen. Ich wollte mir ein langes Suchen nach einem Hammer irgendwo im Keller ersparen.
    Ich hatte gehofft, meinen Vater anzutreffen, erfuhr aber von meiner Mutter, dass er erst spät nach Hause kommen würde. Also erlaubte ich mir, an seinen Schreibtisch zu gehen. In der obersten Schublade fand ich dann den Brief oder besser gesagt, den Entwurf zu einem Brief, der an meine Halbschwester gerichtet war. Er versicherte ihr darin, wie glücklich er wäre, sie bald kennen zulernen, weil er immer gerne eine Tochter gehabt hätte. Das hat er ihr tatsächlich geschrieben, so, als ob es mich gar nicht gäbe. Er wollte sich mit ihr treffen, sich um sie kümmern, mit ihr ins Phantasialand fahren und noch vieles mehr. Mir wurde schlecht. Ich glaubte, mich übergeben zu müssen, lief zurück in meine Wohnung, wo ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte, weil ich das Gefühl hatte, zu ersticken. In dieser Nacht wurde mir klar, dass ich nur leben konnte, wenn ich mich von ihm befreite.
    Ich fing an, ihn zu beobachten, seine Gewohnheiten, seine Vorlieben. Das tat ich nicht nur an den Wochenenden, sondern auch an anderen Tagen, wenn ich am späten Nachmittag von Münster nach Köln kam. Ich sah ihn mit verschiedenen Frauen ausgehen, darunter auch einige seiner Arzthelferinnen, die alle ungefähr in meinem Alter waren. Dadurch wurde meine Wut noch größer. Ich fühlte mich von ihm betrogen, aber er betrog auch meine Mutter. Ich entschloss mich, ihm die Luft zu nehmen, so wie er mir all die Jahre die Luft zum Atmen genommen hatte.
    Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Wissen Sie, wovor uns mein Vater früher immer warnte? Er forderte uns stets auf, nicht zu lange in der Sonne zu bleiben, weil die Haut nie vergisst und die Schäden erst viel später in Form von Hautkrebs sichtbar würden. Einmal, in unserem Garten, fragte ich ihn, wo sich denn die Gefahr versteckt hielte, und er antwortete mir, unter der Haut. Damals war ich vier. Ich habe nie verstanden, warum e r sich Gedanken um meine körperliche Gesundheit machte und ihn meine seelische Verfassung nicht zu interessieren schien. Er hätte nur genauer hinschauen müssen. Unter die Haut.
    Am letzten Donnerstag hielt ich mich in der Nähe der Praxis auf. Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie überrascht ich war, dort auch meine Mutter zu sehen, von der ich zuerst annahm, sie würde auf ihn warten, bis mir klar wurde, dass sie sich aus einem ähnlichen Grund dort aufhielt wie ich. Endlich tauchte mein Vater
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