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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans
Autoren: Markus Heitz
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in die Augen, in den Spiegel eines jeden Sterblichen Seele, zu ergründen. Ihre Gabe wurde geschätzt und hoch angesehen.
    Es trug sich zu, dass ihr Weg nach Tarpol, in die Provinz Granburg führte.
    Dort, während eines Festes, traf sie den Mann, den später alles Volk auf Ulldart fürchten sollte.
    Und sie erkannte seine Bestimmung.
    DAS BUCH DER SEHERIN
    Winter 443/444 n.S.
    Matuc erwachte durch sein eigenes Zähneklappern. Er fror erbärmlich, Sand knirschte in seinem Mund, und kaltes Wasser umspülte seinen linken Fuß. Die Luft roch nach Meer, Salz und Algen. Vögel schrien unaufhörlich, mal näher, mal weiter entfernt, und die See rauschte im immer gleich bleibenden Rhythmus. Etwas Leichtes hüpfte auf ihm herum.
    Vorsichtig hob er den Kopf und schaute auf einen kleinen, flachen Strand, über den morgendliche Nebelschwaden zogen. In wenigen Metern Entfernung erhoben sich schwarze Felsen in die Höhe, die Kante konnte er aus seiner jetzigen Position nicht sehen.
    Mit einem Seufzen senkte er sein Haupt wieder in den kühlen Sand. »Ulldrael der Gerechte, ich danke dir für meine Rettung. Lass es nun in all deiner Güte auch die anderen geschafft haben.«
    Der Mönch drehte sich auf den Rücken und richtete sich auf. Zeternd suchten zwei Möwen, die auf ihm ge­sessen hatten, das Weite.
    »Verschwindet! Ich bin nicht tot«, stotterte er undeutlich, so weit es ihm die schnell aufeinander schlagenden Kiefer erlaubten. Er bemerkte, dass jemand trockene Frauenkleider über ihn gebreitet hatte, damit er nicht erfrieren sollte.
    Das waren Norinas Sachen, erkannte er und wollte aufstehen. In seiner Hast und Ungeduld übersah er, dass ihm sein Holzbein fehlte, und er stürzte zurück in den Sand. Neben sich sah er die Abdrücke von Schuhen, die von der Größe her durchaus zur Brojakin passten.
    Er angelte nach einem Stück Planke, klemmte es sich unter die Achsel und humpelte eilig damit den Strand entlang. In einigem Abstand hatte er die Truhe ausgemacht, in die sie Norina in jener stürmischen Nacht samt ihres Sohnes verfrachtet hatten. Der Deckel stand offen.
    Was genau an Bord der Grazie vorgegangen war, wusste Matuc nicht. Er erinnerte sich, wie das Beiboot in die Tiefe geschossen war und die herabstürzende Rahe ein breites Loch in den Rumpf geschlagen hatte, als habe der Sturm nicht schon ausgereicht, die Nussschale zu versenken. Wenige Lidschläge später trieben sie alle im eiskalten Wasser. Zwischen all der Gischt, den Wellen und dem Schaum verlor er Fatja aus den Augen, und wenn er sich noch halbwegs die Geschehnisse ins Gedächtnis zurückrufen konnte, hatte er sich in einem Trümmerstück des Beibootes zusammengekauert.
    Während er auf das Gepäckstück zulief, sah er zu den unbewachsenen Steilhängen hinauf, immer in der Hoffnung, Menschen oder das Stück einer Inselfestung der Rogogarder auszumachen. Der Strand mit dem dunklen Sand, der von Trümmerstücken und Wrackteilen übersät war, zog sich wie ein schmales Band scheinbar endlos lang, bis er in weiter Entfernung mit einem scharfen Knick nach links abbog. Die kreischenden Vögel um ihn herum waren jedoch die einzigen Lebewesen.
    Keuchend vor Anstrengung und bibbernd vor Kälte, der Atem wurde als weiße Wolke sichtbar, kniete er sich neben die Truhe. Auf den ersten Blick schien sie leer.
    Vorsichtig tastete er umher, bis er auf leichten Widerstand stieß. Behutsam zog er den einfachen Unterrock zur Seite. Darunter lag Norinas Kind, zum Schutz gegen die Temperaturen dick in Kleidungsstücke eingewickelt, schlafend. Nur von der Mutter fehlte jede Spur. Matuc entdeckte ihre Fußspuren, die von dem riesigen Behälter weg führten.
    Als er die Abdrücke mit den Augen verfolgte, blieb sein Blick an etwas hängen, das er zunächst für ein Stück Holz gehalten hatte. Doch es bewegte sich.
    »Norina!«, brüllte er, die nackten Wände ließen seine Stimme widerhallen.
    Augenblicklich erwachte das Kind und fing erschrocken an zu weinen.
    Hervorragend, dachte der Mönch und beeilte sich, den Knaben zu beruhigen. Dabei beobachtete er die zierliche Person, die sich mühsam auf die Beine stemmte und in seine Richtung kam. Und je näher sie kam, desto sicherer wurde der einstige Ordenszugehörige, dass es sich um die kleine Schicksalsleserin handeln musste.
    Es war Fatja, nass von oben bis unten, die Zähne stießen beinahe im gleichen Takt wie die des Ulldraelgläubigen zusammen. Sie zog einen Sack hinter sich her.
    »Das war knapp«, stammelte sie, die Arme um
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