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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans
Autoren: Markus Heitz
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schwer. Mit der gleichen Bestimmung wie König und Thronfolger kann ich Euch nicht zurückschicken. Eure Art ist derzeit zu sehr in Verruf. Aber wer weiß.« Ohne eine weitere Erklärung nickte er den Wächtern zu.
    Schweigend sahen der Stratege und der Ratgeber zu, wie die Gefangenen hinausgeschafft wurden. Telisor, der sich noch nicht von dem Treffer in die Weichteile erholt hatte, musste über den Boden geschleift werden.
    »Auch wenn es der Hohe Herr im Moment noch nicht zugeben kann, es war eine exzellente Arbeit, die Ihr am Wasserfall vollbracht habt«, lobte Mortva den obersten Feldherrn Sinureds. »Ohne Euch wäre es schwieriger geworden. Die Entscheidung ist rechtzeitig gefallen. So brauchten wir nicht einmal die magischen Fähigkeiten des Hohen Herrn. Und die Zahl der Todesopfer war weitaus höher. Tzulan wird zufrieden sein.«
    »Der Gebrannte Gott hat sein Angesicht bereits gezeigt«, meinte Varèsz grinsend, der Spalt in der Unterlippe klaffte weit auseinander. »Es geschieht, wie es geschehen muss. Nur der Hohe Herr scheint noch etwas … empfindlich.«
    »Das wird noch. Er ist auf dem besten Wege.« Der Mann mit den silbernen Haaren sah zum Fenster hinaus. »Lasst Eure Männer ausruhen. Ich schätze, der Kontinent ist vom Ausgang der Schlacht so überrascht, dass sich niemand gegen Tarpol oder Tûris erhebt. Die Menschen werden zu sehr mit ihren Zweifeln an ihrem Gott beschäftigt sein. Und in der Zwischenzeit wird Verstärkung aus Tzulandrien kommen.«
    »Wie sehen die weiteren Pläne aus?«, erkundigte sich der Stratege interessiert und wischte sich einen Tropfen Blut aus dem Gesicht, der von einem frischen Stück Kopfhaut auf dem Helm stammte.
    Angewidert beobachtete Mortva den Kämpfer. »Ihr solltet Euch diese Art von Trophäensammlung abgewöhnen. Wenn Ihr eines Tages nach Ulsar kommen müsst und die Bewohner sehen Euch so, werden sie davonlaufen.« Er bemerkte die beiden Pistolen des Kabcar im Sessel und nahm sie an sich. »Es werden nun vorerst die diplomatischen Verhandlungen aufgenommen. Gleichzeitig, so lautet meine Bitte, sucht die zweitausend besten Reiter aus Eurer Truppe aus und teilt sie in jeweils Gruppen von fünfzig Mann auf. Sie werden schon bald zum Einsatz kommen, um die Unterredungen zu beschleunigen.«
    Varèsz machte ein neugieriges Gesicht.
    »Räuber können eine Plage für ein schutzloses Land sein«, erklärte Mortva. »Wer will ihnen nun in Hustraban, Aldoreel oder Serusien Einhalt gebieten, wo die meisten Krieger in der Schlacht fielen?«
    »Der Kabcar, vermute ich.« Der Stratege lachte aus vollem Hals.
    »Exakt, geschätzter Mann«, sagte der Konsultant. »Und sobald eine Einigung erreicht wurde, werden die ›Räuberhorden‹ schlagartig ausgelöscht. Das heißt, Eure Leute ziehen sich, ein wenig marodierend, zurück. Und damit macht sich der Kabcar wieder beliebter.«
    Die gute Laune von Osbin Leod Varèsz verflog. »Ihr habt den Hohen Herrn wirklich so weit unter Eurem Einfluss, dass er nichts tut, was unserer Absicht entgegenlaufen wird, Nesreca? Eine solche Gelegenheit erhalten wir niemals wieder, vergesst das nicht.«
    »Ihr führt Krieg auf dem Schlachtfeld, ich führe den Krieg am Verhandlungstisch«, belehrte Mortva den Feldherrn Sinureds freundlich, aber kalt zugleich. »Zerbrecht Euch nicht meinen Kopf. Ich weiß sehr wohl, was auf dem Spiel steht, sollte der Hohe Herr nicht das machen, was wir von ihm verlangen. Aber seine Cousine ist eine große Hilfe bei der Angelegenheit.«
    »Dann wünsche ich Euch viel Glück und die Bosheit, die Ihr braucht.« Der Stratege verabschiedete sich.
    »Danke vielmals«, rief Mortva dem Mann hinterher. »Glück benötige ich nicht. Und Bosheit ist genügend vorhanden.«
    Er schlenderte zum Fenster und beobachtete verzückt den Sternenhimmel, an dem Arkas und Tulm in voller Pracht funkelten und glitzerten. Zwei Kometen zogen knapp unter dem Doppelgestirn ihre Bahnen, und beinahe sah es so aus, als bildeten die übrigen Gestirne den Umriss eines Gesichts. Welche Freude, Tzulan. Bald, bald wirst du wieder auf Erden wandeln können. Hab noch ein wenig Geduld, Gebrannter Gott. Der Tag ist nicht mehr allzu fern, und der Anfang ist bereits gemacht.

I.
    Die Seherin wuchs im düsteren, von der Hand des wahnsinnigen Arrulskhân regierten Borasgotan auf, zog in ihrer frühsten Kindheit mit dem fahrenden Volk durch die Lande. Seitdem sie denken und sprechen konnte, vermochte sie das mögliche Schicksal anderer Menschen durch einen Blick
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