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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans
Autoren: Markus Heitz
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den Körper geschlungen. »Ich freue mich, dich zu sehen, Matuc.« Sie fiel ihm erleichtert um den Hals. »Wo ist Norina?«
    Ratlos zuckte der Mönch mit den Achseln, was auf Grund des allgemeinen Zitterns fast nicht auffiel. »Ich habe sie nicht gesehen. Aber sie muss mich zugedeckt haben und ist dann den Strand entlang gegangen. Vermutlich sucht sie Hilfe.«
    »Und lässt ihren Sohn zurück?« Das Mädchen wirkte nicht überzeugt. Sie drückte dem Mann das Kind in die Hände, kramte in der Truhe herum und suchte nach halbwegs passenden Kleidungsstücken. Der Geistliche wirkte etwas überfordert und hielt den schreienden Säugling wie ein Stück hauchdünnes Glas.
    »Dreh dich um«, verlangte sie, während sie die ersten durchweichten Sachen auszog und in die viel zu großen Kleider der Brojakin stieg. Matuc kam der Aufforderung nach. »Das solltest du auch tun«, empfahl sie ihm. »Sonst wirst du dir den Tod holen. Ulldrael muss uns beschützt haben, sonst wären wir Eiszapfen.« Sie tippte ihm auf den Rücken als Zeichen, dass er sich ihr wieder zuwenden durfte, und hielt ihm einen trockenen Rock hin.
    »Ich soll …«, versuchte er zu protestieren.
    Fatja nahm den Neugeborenen behutsam in die Arme und wiegte ihn hin und her. Bald wurde das Geschrei leiser. »Sei vernünftig. Du nützt uns nichts, wenn du dir eine Erkältung einfängst.«
    »Ulldrael wird sich vor Lachen ausschütten«, grummelte er und nahm seinerseits den Kleidungstausch vor. Zwar waren ihm die meisten Trachten zu eng, aber wenn er die Verschlüsse offen ließ, konnte er sich damit bewegen. Aus mehreren Stolen und Umhängen formte er ein wärmendes Übergewand für sich und das Mädchen.
    »Ich hoffe, Norina findet einen der anderen«, sagte Fatja nach einer Weile und bedachte das schlafende Kind mit einem liebevollen Blick. »Schau, es gefällt ihm bei seiner großen Schwester.« Sie hob den Kopf. Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, selbst die braunen Augen lachten. »Matuc, du siehst hinreißend aus. Die Piraten werden dich lieben. Nur die Bartstoppeln …«
    »Sei still«, meinte er mürrisch. Dennoch war er dankbar, dass ihn das Mädchen zu dem Kleiderwechsel gezwungen hatte. Das Kältegefühl ließ nach. Er sah sich um, aber der Strand vermittelte nach wie vor in beiden Richtungen die Lebendigkeit eines Totenackers. »Ich hoffe inständig, Rudgass und Waljakov konnten dem Meer entkommen.«
    »Ich wette mit dir, der Pirat sitzt schon lange im Haus eines seiner Brüder und wärmt sich mit Gewürzwein«, meinte Fatja mit gespielter Zuversicht. Angesichts der zerschlagenen Holzstücke ringsherum verneinte sie das Offensichtliche. Als ihr die erste Träne die Wange herablief, brachen die Dämme der jungen Schicksalsleserin. Sie weinte, den Knaben an sich gedrückt, und Matuc nahm sie in die Arme, breitete die Umhänge aus, um ihr mehr Wärme zu geben.
    So saßen sie eine geraume Zeit.
    Die Sonnen stiegen höher, es wurde ein wenig wärmer. Der Nebel verzog sich, und ein winterlich grauer Himmel zeigte sich. Über dem unruhigen Meer durchbrach ein einzelner Lichtstrahl die Wolken, ließ die Wellen funkeln und glitzern.
    Matuc legte es als Aufmunterungsversuch des Gerechten aus. Auch wenn ihre Lage nicht besonders gut aussah, er blieb zuversichtlich, dass Ulldrael sie zu Höherem berufen hatte und sie nicht einfach am einsamen rogogardischen Strand zu Grunde gehen ließ.
    Irgendwann schniefte das Mädchen nur noch und zog lautstark die Nase hoch. »Wollen wir tatsächlich so lange warten, bis Norina mit Helfern zurückkommt?«, erkundigte sie sich. »Vielleicht sind die Rogogarder nicht so freundlich? Oder wenn das nächste Fischernest in der ganz anderen Richtung liegt?«
    »Unsinn«, meinte Matuc, dem ein Marsch durch den weichen Sand ein Grauen war.
    »Mein kleiner Bruder wird bald Hunger haben, wir werden bald Hunger haben. Wir haben, außer den paar schäbigen Süßknollen in dem Sack und dem bisschen Proviant in der Truhe, nichts zu essen und zu trinken, wenn ich das nur mal erwähnen dürfte.« Fatja ließ nicht locker und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel weg. »Du wirst dich nicht auf meinen Visionen ausruhen. Ich sagte doch, dass nicht alles unbedingt festgeschrieben sein muss. Vielleicht sehe ich nur einen möglichen Ausgang. Aber was ist, wenn …«
    Der Mönch seufzte. »Na schön. Du hast Recht. Wir werden uns vorsichtshalber ebenfalls auf den Weg machen.«
    Das Mädchen half ihm auf, klemmte ihm die Planke unter
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