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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans
Autoren: Markus Heitz
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das Zimmer und lehnte sich an die geschlossenen Türen. Noch ein oder zwei Sätze mehr, und seine »inneren Werte« hätten ihn überrumpelt. Der Konsultant wandelte gedankenversunken den Korridor hinab, um nach seinen beiden Schülern zu sehen. Govan und Zvatochna beherrschten die Magie so selbstverständlich, wie andere Leute das Essen und Trinken.
    Doch das Mädchen geriet zusehends unter den schädlichen Einfluss ihrer Mutter und wandte ihre Aufmerksamkeit ihrer übernatürlichen Schönheit zu, die einem Mann den Kopf verdrehen konnte und ihn seinen Verstand vergessen ließ.
    Die Kabcara führte das Mädchen in die feine Gesellschaft von Ulsar ein, auf Bällen flogen der Heranwachsenden die Herzen der Männer nur so zu. Sie bekam, was sie wollte, ohne mit jemandem eine Nacht zu verbringen, ein Augenaufschlag genügte. Im Grunde müsste er sie an die Oper geben oder ins Theater stecken, denn sie beherrschte das falsche Lächeln, die gespielte Traurigkeit und die vorgetäuschte Betroffenheit perfekter als Aljascha.
    Krutor war eben Krutor, leicht zu beeindrucken, schwach im Geist, groß wie ein Erwachsener und stark wie drei Männer. Hemeròc würde einen brauchbaren Kämpfer aus ihm machen.
    Govan himmelte ihn an, und schon allein deswegen legte er sich bei den Übungen mehr ins Zeug als seine Schwester. Das magische Potenzial schien enorm.
    Er fand den Jungen im Unterrichtszimmer allein vor. Der Tadc levitierte sämtliche Möbel des Raumes, inklusive der beladenen, zentnerschweren Bücherregale und der Marmorbüste seines Großvaters. Als sei es das Einfachste von der Welt, saß er dabei auf dem schwebenden Tisch und las ein Buch.
    »Meint Ihr nicht, dass Ihr Euch ein wenig überanstrengt, hoheitlicher Tadc?«, erkundigte sich der Konsultant.
    »Nein, lieber Mortva«, sagte Govan und klappte seine Lektüre zu. »Schau.« Das mit Folianten und anderen Schriftwerken gefüllte Büchergestell drehte sich einmal um die eigene Achse, ohne dass nur ein einziges Staubkorn zu Boden fiel. »Und dennoch fühle ich mich nicht wirklich gefordert. Ich würde gerne einmal ausprobieren, was ich noch alles mit der Magie zu tun vermag. Ich spüre Größeres in mir.«
    Der Mann mit den silbernen Haaren applaudierte, während sich die Gegenstände sanft senkten. »Wir werden uns schon etwas für Euch einfallen lassen, hoheitlicher Tadc.« Suchend blickte er sich um. »Wo ist die Tadca?«
    »Sie ist bei ihrer Mutter und lässt sich zeigen, wie man Puder und den ganzen anderen überflüssigen Weiberkram benutzt, falls einmal ihre Zofen krank sein sollten«, meinte der Junge verächtlich und hüpfte vom Tisch herunter. »Sie meinte, sie hat schon geübt.«
    »Und Ihr? Seid Ihr ebenfalls fertig?« Mortva strich dem Thronfolger zärtlich über den Kopf.
    »Ja. Können wir das Gefängnis noch einmal besuchen?« Die Augen leuchteten. »Bitte, bitte, Mortva. Vielleicht sehen wir wieder eine Folterung?«
    »Ich glaube nicht, dass es ein guter Einfall wäre. Euer Vater war nicht sehr erfreut, als er von unserem zufälligen Ausflug hörte«, lehnte er ab. »Zumal Ihr in der Tat noch ein wenig zu jung seid.« Insgeheim jubelte er. Er hatte den Knaben richtig eingeschätzt, als er annahm, der Junge fände Gefallen an Grausamkeit.
    »Ach, mein Vater.« Govan wirkte enttäuscht. »Sitzt über seinen Aufzeichnungen, über etwas, was er selbst nicht versteht, obwohl er es sich unentwegt neu ausdenkt. Ich begreife nicht, wie er ein solches Großreich beherrschen kann.« Er lächelte seinen Mentor an. »Er wird es nur seinem Berater verdanken.«
    »Danke, hoheitlicher Tadc.« Mortva verneigte sich. »Eure Mutter unterstützt ihn, wo sie nur kann.«
    »Ich glaube, du denkst, ich wäre ahnungslos, richtig?« Govan sagte das in einem heiteren Ton, der den Konsultanten aufhorchen ließ. »Ich weiß, dass sie gerne mit anderen Männern zusammen ist. Sie genießt es, im Mittelpunkt zu stehen und um ihrer Schönheit willen bewundert zu werden.« Er kam lächelnd auf den Mann zu. »Und ich weiß, dass ihr beide gelegentlich die Nächte zusammen verbringt, Mortva. Und Zvatochna ahnt es. Aber ich bewahre euer kleines Geheimnis gut auf.«
    »Ihr seid zu gütig, hoheitlicher Tadc.«
    »Und weißt du auch, warum?«
    »Nein, hoheitlicher Tadc.«
    »Ich will nicht, dass du hingerichtet wirst.« Der Thronfolger nahm die Hand des Konsultanten. »Ich wünsche mir so sehr, dass du mein Vater wärst. Du bist intelligent und … besser. Dann könntest du das Land
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