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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern
Autoren: Tanja Kinkel
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dafür sorgte, daß Robert nicht der er st e Mensch aus ihrer Vergangenheit war, den sie in Deutschland sehen würde. R obert hatte nach d e r Schließung der Theater 1944 hauptsächl i ch im Radio gearbeitet, wo m an der ausgefallenen Theatersaison 1944/45 wegen immer m ehr Klassiker als Hörspiele brachte, und einige Filmrollen übernom m en; im Februar 1945 schlug er sich, wie er ihr später schrieb, mit Martina, Monika und den noch überlebenden Her m iaden nach H a m burg durch.
     
    »Seit ihr Mann in Rußland gefallen ist, hat Monika entschieden, daß ich wieder die Verantwortung für ihr Wohlergehen trage, und weist mich des öfteren bedeutung s voll darauf hin, daß sie immerhin darauf verzichtet habe, mich anzuzeigen, ob w ohl sie eine Menge Dinge über mich wisse, die…et cetera, et cetera. Du kannst Dir meine Freude vorstellen, aber sie i s t d ie Mutter meiner Tochter. Warum Hamburg? Weil die Briten dort eher sein werden als die Sowjets und der Krieg dort schneller zu Ende sein wird als im restlic h en Deutschland.«
     
    Seit Anfang Mai begannen sie wieder, Briefe zu tauschen, vorsichtig, tastend, wie behutsam ausgestrec k te Fühler. Jenseits der Erleichterung, ihn am Leben z u wissen, wuß t e Carla nicht, ob das alte Verständnis zwischen ihnen beiden noch m öglich war. Sie hatten in zwei völlig unterschie d lichen W elten gelebt; die Er f ahrungen, d ie er ge m acht hatte, waren ihr völlig f re m d. Sie war sich bewußt, wie sie von den ausge m ergelten Menschen h i er ge m ustert wurde, wenn sie Deutsch sprach und dadurch ihre Herkunft zu erkennen gab. Es war nur zu wahrscheinlich, daß Robert das gleiche denken würde: W arum du und nicht ich?
    Von einer Besatzungszone in die andere zu reisen war keine Selbstv e rst ä ndlichk e it, doch sie hatten Fa m ilienbelange g e ltend ge m acht; derzeit gab es nie m anden mehr, der bestreiten konnte, daß er ihr Cousin war. Er würde heute eintreffen. Ab e r zuerst stand ihr noch eine Begegnung m it jemandem bevor, der tatsächlich ein m al zu ihrer Fa m ilie ge h ört h a tte.
    Für eine improvisierte Gefängnisz e lle wurde der Rau m , in den m a n sie brachte, kaum bewa c ht. Die bre i ten, tiefen Regale an den Wänden erinnerten daran, daß hier ein m al das Oberfinanzpräsidium gewesen war, doch die Akten fehlten. Auch dieses Gebäude kannte sie nicht; an der Hausfront hatte sie, als sie eintrat, den A dler über dem Hakenkreuz gesehen.
    »Bitte, Miss Fehr«, sagte die a m erikanische Or d onnanz, als ihr die Tür geöffnet wurde. Er saß hinter einem Holztisch, bis auf die abgetragen wirkende Kleidung und das etwas knochigere Gesicht noch im m er so, wie sie ihn in Erinne r ung hatte. W er sagte, daß ungeheuerliche Erfahrungen ungeheuerliche S puren hinterlassen m ußten? Keiner der Dic h ter, d ie sie je m als gespielt hatte. Trotzde m , sie brachte es zuerst nicht fertig, ihn anzuschau e n. Sie b lic k t e auf einen Punkt über seiner Schulter, an der Wand m it den leeren Regalen.
    »Dies m al bist du in Unifor m «, s a gte er schließlich, in einem gespenstischen Versuch, N or m alität zwischen ihnen herzu s tellen, »und sie steht d ir . «
    » W arum wolltest du m it m ir sprech e n, Philip p ? « f ragte s ie tonlos.
    » W as in aller W elt gibt es jet z t noch, über das wir beide reden könnten ? « Sie at m ete die staubige, auf g estaute warme Luft ein u nd zwang sich, ihn anzusehen.
    »Über Kathi vielleicht? Sie ist hier in Dachau gestorben. Gar nicht so weit von dir ent f er nt . Vielleic h t hat s ie so ga r f ür dich g earb e it e t, ich weiß es nicht, und es spielt auch keine Rolle.«
    »Ich hätte ihr geholfen«, entgegn e te er und lehnte sich über den Tisch. » W enn ich es ge w ußt h ä tte, hätte ich ihr geholfen.«
    Langsa m , aber s i cher schälte sich kalter Zorn als deutlichstes ihrer Gefühle hervor.
    »Hättest du das? Und w arum war sie überhaupt in einer Lage, in der sie deine Hilfe nötig gehabt hätte? Du und deine Freunde, ihr habt ihr in den Tod verholfen, von dem Mo m ent an, als ihr entschieden habt, Hitler an die Macht zu bringen sei wirklich eine wunderbare Idee. Aber selbst wenn Kat h i am Leben wäre und wenn du sie höchstpersönlich über die Grenze gebracht hättest, dann gäbe es i mm er noch nichts zwischen uns zu bereden, Philipp. W egen jedem einzelnen der Menschen, die gesto r ben sind, ganz gleich, ob ich sie gekannt habe oder nicht.«
    Sie versuchte, nicht von dem Entse t zen zu sprec h
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