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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern
Autoren: Tanja Kinkel
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während sie Frau Fehr folgte.
    Seit sie vor zwei Jahren Carlas Erz i eherin geworden war, stieg ihre Abneigung gegen Heinrich Fehr s t etig, und das Bewußtsein, von ihm abhängig zu sein, änderte nichts d a ran. Als sie ihr Studium gegen den erheblichen W i derstand ihrer Fa m ilie durch s et z te, hatte s i e s i ch nic h t vorgestellt, daß auch der beste Uni v ersitätsabsc h l uß i h r nicht helfen würde, einen ange m essenen Arbeitsplatz zu erhalten. Eine Frau als Dozentin war undenkbar, und von den wenigen Artikeln, die sie bei der herr s c h enden Pre s sezensur in einer Zeitschrift unterbrac h te, konnte sie nicht leben. Daß sie m it der Gruppe um Constanze Hallgarten auf einer De m onstration g e gen den Krieg m i t m arschiert war, half ihren Aussichten auf eine St e lle in München auch nicht weiter. Als sie schließlich vor der de m üti g enden Perspektive stand, als gescheite r te a r m e Verwandte zu ihr e r Fa m ilie zur ü ckkehren zu m üssen, hatte ihr Frau Hallgarten von ihrem Nachbarn erzählt, dem Industriellen Heinrich Fehr, der eine E r zieherin für seine jüngere Tochter suchte.
    »Ich weiß, e s ist n icht d as, was Sie sich gewünscht haben, Käthe«, hatte Constanze Hallgarten m it e i ner Mischung aus Mitleid und Verlegenheit ge m eint, »aber er m öchte ausdrücklich je m anden, der die Qualifikation als Lehrerin hat, nicht nur eine herköm m liche Gouvernante. Das Mädchen ist hoch begabt und soll eine anständige Erziehung erhalten. Und für Sie wäre es zu m i ndest ein festes Einko mm en.«
    » W as«, fragte Käthe, zwischen Dankbarkeit, Neugier und W i derwillen hin- und hergeri s sen, »spric h t denn da g e g en, sie in eine Schule zu schic k en? W enn Herrn Fehr die ö ff entli c hen Schulen zu gewöhnlich sind, gibt es doch im m er noch Privatschulen.«
    »Gewiß. Aber die würden das Kind nicht nehmen. Nicht nur, weil es unehelich ist, es h at auch einen jahrelangen Skandal um die Mutter gegeben, weil… sprechen wir lieber nicht davon. Ich verabscheue Klatsch, und worauf es ankom m t, i st, daß die Situation Möglichkeiten für Sie bietet.«
    Also hatte Käthe i h ren Traum von einer aka d e m ischen Laufbahn vorerst begraben. Sich zu einer Pos i tion degradiert zu sehen, die genau dem Fr a uenideal entsprach, vor dem sie geflohen war, verbitterte sie, aber es war im m er noch bess e r, als von den Al m osen ihrer Fa m ilie zu leben. Sie verdiente ihr eigenes Geld und fand hin und wieder sogar Gelegenheit, weiterhin Artikel zu schreiben und sie hoffnungsvoll an Zeitungen und Illustrierte abzuschicken. Außerdem erwies sich Carla in der T at als intelli g ent, und sie e m pfand es als überraschend befriedigend, das Mädchen zu unterrichten. Die Schattenseite der raschen Auffassungsgabe ihres Z öglings war allerdings ihr Te m pera m ent, und es hatte viel Z eit u n d Mühe gekostet, Carla dazu zu bringen, es etwas im Zaum zu h a lten. Mühe, die durch die spektakulären W utausbrüche des Herrn Fehr nicht gerade erleichtert wurde. Und nun kam seit einigen W ochen ein Kind dazu, das Ehefrau spielte und sofort entschieden hatte, daß Carla Gesellschaft brauche.
    »Mei«, sagte Anni Fehr in der bre i ten Aussprac h e, die Käthe, deren F a m ilie urs p rünglich aus Prag stammte und ihr ein m akelloses Hochdeutsch anerzogen hatte, jedes m al zusam m enzucken ließ, »das ist also der Bub vom Rainer. Gut schaust aus.«
    Käthe bil d ete sich ein, bei Ann i s achtlosem Gebrauch von Herrn Königs Vorna m en ein kaum m er k liches Stirnrunzeln an Heinrich Fehr entdeckt zu haben. Gleich d a rauf lächelte er jedoch wieder und lauschte dem Geplapper seiner Kindfrau, der es gelang, von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten, ohne es je zu be m erken. Der Junge beantwortete ihre F ragen höfli c h, aber m ehr und m ehr belustigt. Da sie wußte, daß sie ihn bald e b en f alls u n te r ri c hten würde müssen, beobachtete Käthe ihn genau. Ihr waren weder der Junge noch sein Vater ganz unbekannt, und zwar n i cht durch die Freundschaft zwischen Heinrich Fehr und Rainer Kön i g, die, wie sie verächtlich dachte, l e t z tlich nur auf eine Saufku m panei hinauslaufen dürfte. Nein, die Mutter des Jungen, die verstorbene B a rbara König, hatte ebenfalls zu der Gruppe um Consta n ze Hallgarten gehört, a b er ihr Anliegen war nicht nur der Pazifismus gewes e n. Barbara König hatte Manifeste über das Frauenwahlrecht verfaßt und auf eigene Kosten drucken lassen, s i e hatte
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