Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
die nach Eleon o re m odellie r te Susanne, die sie ein m al ges p ielt h atte, in Iffland genau das tat. D ieses Ende s c hien unausweichlich zu sein, und sie hatte für ihr ganzes L e ben genug Selbst m orde erlebt.
    Doch die Eleonore, die sie a u f d e m Flughafen von New Yo r k e m pfing, war weder in Tränen aufgelöst, noch wirkte sie verzweifelt. Statt dessen stra h lte sie eine ru h i ge A bgeklärtheit aus, die Carla noch nie m it der brillanten, sich sel b st verzehrenden Eleonore von Mendelssohn in Verbindung gebracht hatte.
    »Es ist vor b ei«, sagte sie, als sie b e ide in i h rem Hotelzimmer saßen. »Morgen findet die Beerdigung s ta tt, aber ich w e rde nicht t e ilneh m en. Ich habe m i ch schon von ihm verabschiedet. W eißt du, ganz zum Schluß hat sich m ein W unsch noch ein m al er f üllt. Er hat m ich gebrauc h t. Er wollte es n och ein m al in New York versuchen, m it der Schönen Helena. und dann hatte er seinen ers t en Schlaganfall. Zuerst wollte er ni c ht, daß es i r gend je m and er f uhr, sonst hätte m a n ihm nie wieder eine Regie angeboten, aber s c hlie ß lich li e ß es sich n i c ht m ehr verhei m lichen irgendwann konnte er die ganze linke Seite nicht m ehr bewegen. Und in dieser Zeit, in diesen W ochen hier in New York, da waren wir zusammen, und i ch war nicht m ehr nur eine Außenseiterin, eine Bewunderin oder ein Abenteuer. Ich war die Frau, die m it i h m zusammenlebte und ihn betreute.« Ihre Mundwinkel zuckten. » M ada m e war in dieser Zeit in Kalifor n i en. Sie sa gt , Gottfried habe ihr verhei m licht, wie ernst der Zu s t a nd seines V aters war. Gott f ried m eint, er h a b e es ihr erzählt, und sie h a be nicht kom m e n wollen, um ihn nicht zu beunruhigen und weil sie das Geld von dem Fil m , den sie gerade dreht, dringend brauche. Ich weiß nicht, wer recht hat, ich habe nur ein m al m it ihr geredet, nachdem sie hier eintraf. Bevor sie ka m , habe ich m eine Sachen ausgeräu m t und bin verschwunden, ich wollte schließlich nicht, daß wir vor Max eine Szene aufführen, wenn sie m i ch vorfindet. Da war er noch bei Bewußtsein, konnte aber nicht m ehr sprechen.«
    Tränen glänzten in ihren Augen, die sie schnell fortwischte, und der ruhige, gelassene A usdruck k e hrte wieder zurück. »Das war unser Abschied. Später hat m i r Gottfr i ed erzählt, wie es ihm ging. Er bekam zu allem Unglück auch noch eine Lungenentzündung, und danach ging es ganz schnell. Ich wollte eigentlich nicht, ich weiß, es war falsch, aber ich habe dann d o ch noch ein m al versucht, ihn zu sehen. Es war ein Fehler. Mada m e war da und hat m i ch nicht in sein Zimmer gelassen.«
    »Eleonore, sie war seine Frau. W as m einst du, wie es für sie war, zu erfahren, daß du in den W oc h en vor seinem Sterben bei ihm warst, und nicht sie? Nach all den Jahren und der Tortur wegen der hinausgezögerten Scheidung ? «
    »Oh, ich verstehe sie schon. Ich hät t e m ir an ihrer Stelle die A ugen ausgekratzt, und sie w ar direkt hö f lich zu m i r. Aber als sie m i ch nicht zu ihm ließ, wußte ich einfach nicht, was ich tun sollte. Da habe ich dich angerufen.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt ist es vorbei. Die Hoffnung e n, der Sch m erz. Er ist tot. Er kann nie wieder zu m i r zurückkom m en, oder z u ihr. Und er m uß nie wieder in d i esem kalten, fre m d e n Land betteln gehen oder daran denken, wie Goebbels jetzt in s e inem Leopoldskron haust oder was er seinen Theatern a n tut. Er m uß nicht m ehr versuchen, die Welt zu verste h en. E s ist d o ch s e ltsa m , er war so ver n ar r t in das Kat h olisc h e, Salzburg besonders, er liebte k a tholische Kirchen und das Z ere m oniell, die ganze Mystik, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekom m en überzutreten. W ährend dieser W o c h en hat er darauf bestanden, die jüdischen Feiertage einzuhalten. Max! Kannst du dir das vorstellen? Am neunten Oktober war er auf ein m al verschwunden, fünf Stunden lang, m itten im Gedränge auf der Lexington Avenue ist er m ir entwischt, und ich wußte d o ch, daß er sich in seinem Zustand keinem Bekannten zeigen würde, wo er doch so große Angst davor hatte, der Schlaganfall werde sich heru m sprechen. Gottfried und ich suchten ihn überall, und dann treffen wir i hn wohlge m ut im Hotel an, und er versteht nicht, warum wir uns überhaupt Sorgen ge m acht haben, sagt nur, es sei Jom Kippur, und an Jom Kippur gehe m an in den Te m pel. In die Synagoge an der Lexington Avenue. Nicht auszudenken, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher