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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern
Autoren: Tanja Kinkel
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eine Versam m lung von Schauspielern, Bühnenarbeitern und Dra m aturgen, die nach ausführlicher und demokratischer Diskussion beschli e ßen, genau das zu tun, was Brecht sich wünscht.«
    Der kleine Augsburger Dichter, d e r sie m it sei n em seltsam gotis c h aussehenden Gesicht, der Lederkluft und der Zigarre, die sein Markenzeichen war, an eine Kreu z ung aus einem Dauerstudenten und einer m itt e lalt e rlichen Skulptur e rinnerte, f i x i e rte s ie unt e r seinen jochbogenartigen Augenbrauen. »So ? « fragte er m it seiner schnarrenden Stim m e. »Und wer genau hat das gesagt?«
    »Meine Gewerkschaft verbietet m i r, m ich dazu zu äußern«, gab Carla m it ihrem besten Pokergesicht zurück.
    Pokern war etwas, das sie erst in Am erika gelernt hatte und in der Hollywood Canteen gelegentlich z u m Einsatz brachte, wenn Veteranen, denen ein Bein oder g a r b e ide f ehlten, si c h m it ihr u n terh a lt e n wollten. Die m eisten Soldaten war e n am An f ang scheu und wußten nicht, was sie m it einem leibhaftigen Star anfangen sollten, und ein Kartenspiel anzubieten brach für gewöhnlich das Eis, wenn es ein Tanz nicht tun konnte. Seit ihrem ersten Jahr in A m erika hatte sie nicht m it so vielen A m erikanern unterschiedlic h er Schic h ten zu tun gehabt, und noch überhaupt nie m it s o vielen Menschen, die in keiner Verbindung zum Thea t er oder zum Film standen. Es war eine sehr lehrreiche E rfahrung. Die wenigsten m achten einen Annäherungsversuch; im allge m einen wollten s ie ein f ach nur den Schr e cken des Krieges für ein paar Stunden vergessen, auf ähnliche W eise, wie sie es bei einem Kinobesuch tun würden. Nicht einer von ihnen m achte eine Anspielung auf die Gerüchte über Carlas »zweifelhafte Nazi-Verbindungen«, die Hedda Hopper in U m lauf gesetzt hatte und die inzwischen einige Bekannte dazu gebracht hatten, Abstand von ihr zu neh m en. Es erinnerte sie an d ie s p ontane Akzeptanz, die sie, hätte m an sie gefragt, zu der liebenswe r testen a m erikanischen Eigenschaft erkl ä r t h ä tte.
    Sie unter s c h rieb ge r ade ein altes Photo aus ein e r Fil m illust r ie r ten, das sie als d i e Spin n enfrau zeigte, als m an sie ans Telefon rief. Auf dem Weg dorthin zischte ihr Bette Davis, die Leiterin der Canteen, verär g ert zu, der h iesi g e Anschluß sei nic h t für P rivatanrufe gedacht. Es wunderte sie, daß m an sie hier überhaupt erreicht hatte, wenn es privat war; nur ihr Agent und ihre Haushälterin kannten die Num m er, und ihre Haushälterin tel e fonierte nicht gerne, w eil sie sich jedes m al verwählte. Etwas beunruhigt hoffte Carla, daß k ein Notfall eingetreten war, etwa ein Hausbrand. Doch die Stim m e, die sie e m pfing, hatte keinen m exikanischen Akzent u n d sprach nicht englisch, sondern deutsch.
    »Carla, es tut m i r leid, wenn ich dich störe dein Agent hat mir die Num m er g e geben Carla, kan n st du nach New York kom m en? Gleic h ?«
    »Eleonore ? « fragte Carla, die Stim m e erkennend.
    »Max stirbt«, sagte Eleonore. »Ich war die ganzen W ochen bei ih m , und nun stirbt er, jeden Mo m e nt kann es passieren. Die Thi m ig läßt m i ch nicht m ehr zu ih m . Carla…«
    »Ich werde es versuchen. Aber du weißt doch, daß die Polizei sich hier taub st e llt, wenn ich die Sta d t v e rlas s en will . «
    »Du warst m al eine Reinhardt-Schauspielerin«, antwortete Eleonore in einer Mittellage zwischen Schluchzen und Lachen. »Also kannst du alles. Du wirst sie überzeugen.«
    Der erste Anlauf schlug, wie erwar t et, f ehl. M a n teilte i h r m it, an den Bedenken, sie quer durch das L a nd reisen zu lassen, habe sich nichts geändert. Dann kam Paul Kohner auf die rettende Idee.
    »Truppenbetreuung«, verkündete er triu m phierend. »Das tust du hier schließlich auch. Ich erhalte im m er Anfragen, ob m eine Klienten bereit seien, für die Soldaten aufzutreten, und in New York sind all die, die nach Europa verschifft werden. W i e gut bist du im Kabarett? Könntest du eine kleine Nummer f a brizieren, ein Lied oder einen Stepptanz?«
    »Mir fällt schon etwas ein«, sagte Carla und u m a r m t e ihn dankbar.
    »Ich bin in Berlin m al eine Ze i tlang in einem Kabarett aufgetreten.« Truppenbetreuung erwies sich tatsä c hlich als die eine Art von Engage m ent, von der m an sie nicht zur ü ckhalten wollte, zu ihrer großen Erleichterung, denn sie befürchtete, Eleonore könne sich, allein gelassen, etwas antun. Es hing wohl auch da m it zusam m en, daß
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