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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond
Autoren: Jewgeni Lukin
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den Rücken gelaufen, so ungewohnt war das … Du bist also geflohen, was?«
    »Na ja!« Lako lächelte und füllte die Schalen wieder. »Wie man den Nacktfressen so entkommt …! Sie haben uns nach Sibra gebracht, in einen Keller gesperrt. Und ein paar Tage später kam der Aufstand. ›Scharlach!‹, schreien die Leute. ›Scharlach!‹ Wir sitzen im Keller, über uns brennt das Haus. Weißt du noch, was wir mit dem Hafen von Sibra gemacht haben? Und jetzt war es in der ganzen Stadt so … Der böse Mond hat uns gerettet, keine Frage: Sie haben sich an uns erinnert, uns herausgeholt, die Fesseln gelöst … Ob du es glaubst – sie wollten mich in der Hitze des Gefechts zum Karawanenführer machen. Immerhin der beste Freund Scharlachs, kein Witz …! Kurzum, ich bin ihnen im Guten davongelaufen. Das ist nichts für mich. Ich bin ein ehrlicher Räuber, Aufstände sind nicht mein Ding …«
    »Und wo willst du jetzt hin?«
    »Nach Kimir.«
    »Bist du denn verrückt geworden?«, ereiferte sich Aliyat. »Du bist in Kimir zweimal zum Tode verurteilt worden!«
    Lakos Miene verdüsterte sich, er krächzte, warf ihr einen mürrischen Blick zu. »Bin ich denn früher dort spazieren gegangen – mit meinen beiden Todesurteilen?«, warf er hin. »In Harwa ist jetzt nichts zu holen. Dort wird in Kürze so eine Sache losgehen …«
    »Hör mal, was wird denn losgehen?«, fragte Ar-Scharlachi beunruhigt. »Der Zauberer sagt das auch …«
    »Danach musst du deine Kumpel von den nickenden Hämmern fragen, was sie da vorhaben! So ein Dreckszeug macht sich jetzt in der Wüste breit – dem geht man besser aus dem Weg. Eine Art Schiffe, aber ohne Mast, stell dir vor, und ganz gepanzert, wie eine Schildkröte. Kriechen in Meuten daher. Räder sind überhaupt keine zu sehen, vorn ragt eine Röhre heraus … Und aus dieser Röhre schießt er, der Waran, Feuer … Gruselig, kann ich dir sagen. Hab’s selbst gesehen.«
    »Er schießt? Auf wen? Auf uns?«
    »Nicht doch. Aufeinander schießen sie. Und wir kriegen auch was ab, wenn wir ihnen in die Quere kommen …«
    »Kla-ar«, sagte Ar-Scharlachi erschüttert und griff mit nervöser Hand nach der Schale. »Sie werden also doch hier Krieg führen. Bei uns …«
    Lako kippte seinen Wein hinunter und musterte Ar-Scharlachi neugierig. »Bist ein merkwürdiger Typ«, bemerkte er. »Du könntest wenigstens fragen, wofür sie dich in Harwa hingerichtet haben.«
    »Ja, stimmt! Was war denn da los?«
    »Also, das war so«, sagte Lako genüsslich und machte eine Pause. »In Harwa gibt es Hinrichtungen. Und Leute werden da mit den Spiegeln verbrannt, dass einem die Spucke wegbleibt. Ratsherren, Würdenträger … Ganz wie zur Zeit der ersten Unruhe. Tamsaa haben sie hingerichtet, Alras … Hast du von denen mal gehört? Deinen Freund, den Karawanenführer Chaïlsa … Na, und alles mögliche Kroppzeug. Dich zum Beispiel, deine Mannschaft …«
    »Mich? Interessant …«
    »Verkündet haben sie deine Hinrichtung, aber wen sie wirklich … Keine Ahnung.«
    »Gut, und wofür?«
    »Hm …« Lako bewegte unbestimmt die Brauen. »Erst dachte ich, wegen des Palmenwegs. Dann habe ich kalkuliert und dachte, nein, da stimmt was nicht … Als sie das Edikt in den Oasen verkündet haben, war von dem Aufstand keine Rede. Nur von einem Anschlag auf den Herrscher …«
    »Ich verstehe nicht«, ließ sich Ar-Scharlachi hilflos vernehmen. »Na schön, nehmen wir an, Ulqar war erzürnt … Nehmen wir an, er glaubte, sie hätten Aliyat und mich umgebracht und das Wasser ausgetauscht … Aber wie kann er mich hingerichtet haben?«
    Die Fahrt des Schiffes änderte sich allmählich. Das nervtötende Geholper über die weißen Sandwellen der Wüste Tschubarra hörte auf. Die Springmaus lief nun, sich fließend hin und her neigend, über die flachen Dünen der Niemandssande.
    Ar-Scharlachi besaß doch erstaunlich wenig Menschenkenntnis, obwohl er einst bei dem weisen Gojen studiert hatte. Wenngleich man sagen muss, dass auch Gojen von Natur ein ziemlich vertrauensseliger und naiver Mensch gewesen war … Kurzum, seinen Herrscher hatte Ar-Scharlachi dann doch nicht vollends verstanden. Bei all seiner Impulsivität ließ Ulqar niemals jemanden übereilt hinrichten. Die Hinrichtungen, die Harwa erschütterten, waren einfach unvermeidlich. Das heilkräftige Meerwasser war gebracht worden. Und wer, wenn er noch bei Sinnen war, würde diejenigen am Leben lassen, die auch nur das Geringste über den Weg zum Meer wussten?
    Den
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