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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond
Autoren: Jewgeni Lukin
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stand auf hellem nächtlichem Sand, still, mit gelöschten Lichtern. Man hörte nur die Schritte der Wache an Deck, und auch die selten.
    »Das heißt, an Glück glaubst du also doch?«, fragte Aliyat mit aufkeimendem Interesse.
    »Na ja … glauben oder nicht, aber Glück hat man, oder man hat keins. Da gibt es nichts zu glauben, da muss man denken.«
    »Aus dir ist doch kein Räuber geworden«, antwortete Aliyat bedauernd. »Wenn man nicht an Glück und Erfolg glaubt, sollte man sich gar nicht erst in die Wüste wagen. Und du selber? Glaubst du, dass du Ulqar überlisten wirst?«
    »Ich weiß nicht … Und ich will ihm gegenüber auch gar nicht zur List greifen.«
    »Dann schütte das Wasser aus – wozu unnütze Last mitschleppen? –, und wir fahren nach Kimir.«
    In der Kajüte war es mondhell. Ar-Scharlachi schwieg eine Weile, seufzte bitter, dann stützte er sich auf und langte über Aliyat hinweg zu dem verheißungsvollen Schränkchen. Er maß eine halbe Schale voll ab – es war nicht mehr viel Wein da –, setzte sich auf, den Rücken krumm, und begann in kleinen Schlucken zu trinken.
    »Nein«, sagte er schließlich finster. »Wenn wir zu deiner Räuberpost kommen, sehen wir weiter. Wenn er Wort gehalten hat, fahre ich mit dem Wasser nach Harwa.«
    »Pass auf«, sagte sie beiläufig. »Die Leute werden vielleicht nicht hinfahren. Wie sich zeigt, haben sie vor Ulqar mehr Angst als vor dem Meer …« Ihr fiel etwas ein, und sie fragte besorgt: »Hör mal … Du hast ihnen doch nicht gesagt, dass Chaïlsa dich in der Nähe des Trunkenen Schattens erwarten wird?«
    »Nein.«
    »Na wunderbar!« Anscheinend besserte sich Aliyats Stimmung. »Ich hatte schon Angst, du hast es gesagt …«
    Am nächsten Morgen befahl Aliyat, ohne sich auch nur mit Ar-Scharlachi zu beraten, eine Rampe aufzuschütten und wieder über die Rohre zu fahren. Die Räuber atmeten auf: Anscheinend hatte der Anführer seine Pläne wieder geändert. Anscheinend sollten sie die verbrannten Sande der nickenden Hämmer westlich umgehen und geradewegs nach Turkla fahren. Das war natürlich auch nicht ungefährlich, aber immerhin nicht Harwa, nicht Ulqar …
    Ar-Scharlachi zerrte Aliyat in die Kajüte und verlangte erbost eine Erklärung. Sie zog nur erstaunt die Brauen hoch. »Wir fahren südlich an Turkla vorbei, schauen nach der Post …«
    »Dort ist das also …«
    »Na ja. Zwischen Turkla und Sibra. Und von dort ist es ein Katzensprung zum Trunkenen Schatten. Der ganze Unterschied: Wir kommen von Süden, nicht von Osten …«
    Sie fuhren mit halbem Wind, schnitten kühn durch den Rand der verbotenen Sande ab. Rechts glitten ausgedehnte schwarze Flecken vorüber, manche rauchten noch, das brennende Erdöl war anscheinend in der ganzen Gegend ausgeflossen. Bei Sonnenuntergang legte sich der Wind, kam nachts aber wieder auf – direkt von hinten. Turkla passierten sie im Morgengrauen, vom Deck aus war die Anhäufung von streifig verwitterten Restbergen zu sehen, die rings um die Oase Wache standen. Als sie sahen, dass Ar-Scharlachi nicht vorhatte, den Hafen anzulaufen, wurden die Leute auf dem Samum wieder unruhig, kamen aber nach einiger Überlegung zu dem Schluss, dass der Anführer wohl recht habe. Mit leeren Händen hatte man in Turkla nichts zu suchen.
    Als aber voraus, direkt vor dem Horn, schwankend dieselben krummwüchsigen Pflanzendickichte auftauchten, wo letztes Mal der Samum und der Weiße Skorpion in die Fallgruben geraten waren, bog Aliyat scharf nach Norden ab, und allen wurde endgültig leichter ums Herz. Das Schiff nahm offensichtlich Kurs auf den Trunkenen Schatten.
    Bald wurde Befehl erteilt, die Segel zu reffen. Diese Anordnung irritierte die Leute etwas: Abgesehen von einem trockenen, krampfhaft gekrümmten Baumstamm hundert Schritt vom linken Steigbügel erregte nichts ringsum Aufmerksamkeit. Sand und wieder Sand. Dann streute jemand das Gerücht aus, Scharlach wolle einen alten Schatz heben, sonst könnten sie im Trunkenen Schatten keinen Wein und Proviant kaufen. Die Vermutung hatte jedenfalls etwas für sich …
    »Ist es bei dem Baum?«, fragte Ar-Scharlachi leise.
    Aliyat nickte. Beide standen an der Reling und blickten zu dem verkrümmten Stamm.
    »Vielleicht sollten wir näher heranfahren?«
    »Lieber nicht«, antwortete sie ebenso leise. »Die machen alle mächtig neugierige Augen …«
    Geschickt wie immer stieg sie über die Strickleiter auf den Sand hinab, und Ar-Scharlachi folgte ihr natürlich. Aliyat drehte
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