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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond
Autoren: Jewgeni Lukin
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jemand wütend.
    »Was soll das?« Außer sich sprang Ar-Scharlachi auf und fuchtelte mit den Fäusten vor der Brust. »Haben wir etwa verloren? Ulqar hat selber ein Drittel seiner Flotte eingebüßt!«
    »Er ein Drittel und wir alles!«
    »Ihr wart doch selber dort und habt alles gesehen! Ein Sandsturm!«
    »Und wer hat den Sandsturm heraufbeschworen?«
    »Ich?« Für ein paar Sekunden war Ar-Scharlachi sprachlos. Erstarrt betrachtete er grimmige Stirnen und zusammengezogene Brauen. In die Augen blickte ihm niemand. »Was denn, denkt ihr etwa, dass ich diesen Sandsturm auf uns losgelassen habe?«
    »Hat er, hat er«, erklang Aliyats ruhige, etwas spröde Stimme. Sie war hinter seinem Rücken hervorgetreten und ließ herausfordernd die Blicke über die Versammelten schweifen. »Und wenn nötig, tut er das wieder. Klar?«
    Alle zogen unbehaglich die Schultern hoch, so bedrohlich klang das letzte Wort.
    »Also, wir haben geredet, und fertig«, warf sie verächtlich hin. »Auf – und an die Plätze!«
    Sie murrten unwillig, doch sie gehorchten. Doch die scheelen Blicke, die sie Aliyat und ihm zuwarfen, gefielen Ar-Scharlachi ganz und gar nicht. Er fasste im Stillen sogar den Entschluss, fortan angezogen zu schlafen, zuvor beide Riegel der Kajütentür vorzuschieben und die Waffe in Reichweite zu halten. Wer weiß, wozu der böse Mond Räuber verleiten konnte, die an ihrem Anführer zweifelten! Wieder fiel ihm die Meuterei auf dem Samum ein, das perlende kalte Licht, das Knirschen des Schlages und die heißen Blutspritzer …
    »Natürlich!« Aliyat wunderte sich ein wenig, als er diese Gedanken mit ihr teilte. »Jetzt geht es nur noch so und nicht anders! Mit Waffen und zugeriegelt …« Für sie war das alles selbstverständlich.
    »Was ist eigentlich los?«, fragte er sie mit zitternder Stimme. »Zugegeben, ich habe mich heute dumm verhalten, dumm! Aber früher war ich ja mitunter noch dümmer! Und alles ging glatt …«
    Bleich, eingesunken saß Aliyat da, den Kopf gesenkt, und schwieg lange. Dann hob sie den Blick aus den dunklen, müden, trocken glänzenden Augen. »Verstehst du …«, sagte sie wehmütig. »Dein Glück ist vorbei … Das habe ich schon erlebt, und nicht nur einmal. Ein Räuber hat immer wieder Glück, und dann – wie abgeschnitten! Er scheint alles wie zuvor zu machen, aber Nutzen … Meinst du, dass sich dir Lako damals zufällig als Gefährte aufgedrängt hat? Er hat dein Glück gewittert …«
    »Und was sollen wir jetzt tun?«
    Wieder antwortete sie nicht gleich.
    »Vielleicht wirklich nach Kimir?«
    »Nein«, entgegnete er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wenn ich mitsamt dem Meerwasser verschwinde, lässt Ulqar seine Wut am Palmenweg aus.«
    »Und wenn er das schon getan hat?«
    »Nun ja, dann … Wie versprochen. Ich schütte das Wasser auf der erstbesten Düne aus und … Na schön! Dann eben nach Kimir … Aber hör mal«, stutzte er plötzlich. »Wie könnte man wirklich erfahren, ob er Wort gehalten hat oder nicht? In den Häfen des Palmenwegs sollten wir uns jetzt lieber nicht blicken lassen – die eigenen Leute würden uns ausliefern …«
    »Also das ist einfach …« Sie seufzte. »Hast du schon mal von der Räuberpost gehört?«
    »Nein.«
    »Es gibt solche Stellen in der Wüste … Man muss sie nur kennen. Da liegt ein Steinchen oder ein Stück Holz von einem Schiff, und darunter eine Nachricht. Wer vorbeikommt, hinterlässt eine. Sagen wir: Bleib von Ar-Nau fern, da sind jetzt Truppen. Oder: Die Nacktfressen haben Ar-Ljata niedergebrannt … Wen es angeht, der versteht es.«
    »Klaar …« Ar-Scharlachi lebte auf. »Und haben wir es weit bis zu so einer Post?«
    Sie lächelte. »Nicht weiter als bis zum Trunkenen Schatten …«

39
    Zweifache Meuterer
    E s brach keine Meuterei aus. Die hinter zwei Riegeln mit dem Haumesser neben dem Bett schlaflos verbrachte Nacht blieb ereignislos. Durch die dünnen Trennwände hindurch war zu hören, wie im Schiff leise und verbissen über irgendetwas gesprochen wurde, doch das Murren klang eher gekränkt, gehorsam, ohne Lärm und zornige Rufe. Entweder hatte Aliyats Erwähnung der magischen Talente des Anführers geholfen, oder der böse Räubermond nahm einfach endlich wieder ab.
    »Gestern hast du gesagt: Das Glück ist vorbei …«, murmelte Ar-Scharlachi niedergedrückt, als das Murren und Schurren endlich verstummte. »Weißt du, irgendwie ist mir nicht wohl in meiner Haut … Meinst du, dass uns Ulqar betrügen wird?«
    Der Samum
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