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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz
Autoren: Alexander Kent
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Mahlzeit einzunehmen, ganz zu schweigen vom Stopfen einer Pfeife.
    Immer wenn er in Ruhe darüber nachdachte, wußte er, daß er zufrieden, ja dankbar war – trotz seiner Behinderung. Er war Sir Richard Bolithos Gutsverwalter und besaß ein eigenes Haus in der Nähe der Ställe. Ein kleiner Raum an der Rückseite war sein Kontor. Dort hatte er um diese Jahreszeit wenig zu tun. Der Regen hatte aufgehört und der Schnee, von dem einer der Postleute berichtet hatte, hatte sie verschont.
    Er sah sich in der Küche um. Sie war das Herz der Welt, die er mit seiner Frau Grace teilte. Grace war Haushälterin bei den Bolithos. Überall sah man, wie tüchtig sie war. Marmeladen in Töpfen, sorgfältig beschriftet und mit Wachs versiegelt, getrocknete Früchte, und am anderen Ende der Küche hingen geräucherte Schinken. Ihr Geruch ließ ihm immer das Wasser im Mund zusammenlaufen. Doch besser nicht! Seine Gedanken wurden von diesen einfachen Freuden auf etwas anderes gelenkt. Er machte sich Sorgen um seinen ältesten und besten Freund John Allday.
    Er sah nach dem kleinen Krug Rum, der vor ihm auf dem blankgescheuerten Tisch stand – unberührt.
    Er sagte: »Los, John, trink endlich deinen Schluck. So was braucht man doch an einem kalten Januarmorgen!«
    Doch Allday blieb am Fenster stehen. Seine unruhigen Gedanken lasteten auf seinen breiten Schultern wie ein Joch.
    Endlich sagte er: »Ich hätte mit ihm nach London gehen sollen. Ich gehör dahin, klar?«
    Das also war es. »Um Gottes willen, John. Du bist noch nicht mal eine Hundewache lang zu Hause gewesen und murrst schon rum, daß du Sir Richard nicht nach London begleitet hast. Du hast Unis, ein Baby und die gemütlichste kleine Kneipe auf dieser Seite vom Helford. Du solltest dich wirklich darüber freuen.«
    Allday drehte sich zu ihm um. »Weiß ich doch, Bryan. Natürlich weiß ich das.«
    Ferguson stopfte den Tabak fest. Er machte sich echte Sorgen. Diesmal war es noch schlimmer mit Allday als beim letzten Mal. Er sah zu seine m Freund hinüber, bemerkte wieder die tiefen Linien an seinen Mundwinkeln – Zeichen bleibender Schmerzen in seiner Brust, nachdem ein spanischer Säbel ihn niedergemacht hatte. Das dichte, feste Haar war schon grau durchsprenkelt. Doch sein Blick war klar wie immer.
    Ferguson wartete, daß er sich setzte und seine großen Hände um diesen besonderen Steinkrug legte, den sie hier für ihn bereithielten. Wer Allday nicht kannte, mußte ihn für grob und ungeschickt halten. Doch Ferguson hatte ihn mit rasiermesserscharfen Klingen und Beiteln ein paar der feinsten Schiffsmodelle basteln sehen, die ihm je vor Augen gekommen waren. Dieselben großen Hände hatten sein Töchterchen Kate mit der Behutsamkeit einer Amme gehalten.
    »Was meinst du, wann sind sie wieder da, Bryan?« wollte Allday wissen.
    Ferguson gab ihm den brennenden Span und sah, wie er ihn an seine lange Tonpfeife hielt. Der Rauch zog in Richtung Kamin, vor dem eine schlafende Katze lag.
    »Einer der Leute von Roxby war kürzlich hier und sagte, die Straßen sehen jetzt besser aus als letzte Woche. Immer noch schlimm für einen Vierspänner, von der Postkutsche ganz zu schweigen.« Doch das führte zu nichts. Also sagte er: »Ich denke immer mal wieder daran, John. Im April sind es einunddreißig Jahre her seit der Schlacht bei den Saintes. Das glaubt man kaum, oder?«
    Allday hob seine Schultern. »Es überrascht mich, daß du überhaupt noch daran denkst.«
    Ferguson sah auf seinen leeren Ärmel. »Das kann ich so leicht nicht vergessen.«
    Allday legte ihm über den Tisch hinweg die Hand auf den Arm. »Tut mir leid, Bryan. Das wollte ich nicht.«
    Ferguson lächelte, und Allday schlürfte einen Mundvoll Rum. »Das heißt, daß ich in diesem Jahr dreiundfünfzig werde.« Er merkte sofort, wie Allday sich bei den Worten gar nicht wohl fühlte. »Nun ja, ich hab ein Stück Papier, um es zu beweisen.« Dann fragte er leise: »Wie alt bist dann du? Gleich alt, meine ich, oder?« Er wußte, daß Allday älter war. Er war bereits zur See gefahren, als eine Preßgang in Pendower Beach sie beide mitgenommen hatte.
    Allday sah ihn mißmutig an. »Ja, ja, ungefähr so.« Er starrte ins Feuer und schien noch bedrückter als eben. »Ich bin sein Bootsführer, verstehst du. Ich muß einfach bei ihm sein.«
    Ferguson nahm den Steinkrug und füllte ihn wieder mit Rum. »Ich weiß das, John. Und jeder andere auch.« Er dachte plötzlich an sein enges Kontor, das er vor einer Stunde verlassen
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