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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz
Autoren: Alexander Kent
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weit überlegenen Gegner eingelassen, der nicht nur mehr Kanonen, sondern auch eine größere Mannschaft besaß. Viele Männer der
Anemone
waren als Prisenkommandos von Bord geschickt worden. Nicht aus Überheblichkeit oder verstiegenem Stolz hatte er gehandelt. Es ging darum, einen Konvoi von drei schwer beladenen Frachtschiffen, die er zu den Bermudas begleiten sollte, zu retten.
Anemones
Angriff hatte dem Konvoi Gelegenheit zur Flucht gegeben – Sicherheit im nahenden Dunkel. Er erinnerte sich an den beeindruckenden Kommandanten der
Unity
, Nathan Beer, der ihn in seine eigene Kajüte hatte bringen lassen und der ihn besucht hatte, während der Chirurg ihn behandelte. Selbst durch die Schleier von Schmerz und Bewußtlosigkeit hatte er den großen Amerikaner neben sich gespürt. Beer hatte mit ihm wie ein Vater mit seinem Sohn gesprochen, von Kapitän zu Kapitän, nicht als Gegner.
    Und nun war Beer tot. Adams Onkel, Sir Richard Bolitho, war auf die Amerikaner gestoßen und hatte sie in einen kurzen, blutigen Kampf verwickelt. Am Ende hatte Bolitho dem sterbenden Gegner beistehen müssen. Bolitho meinte, ihr Aufeinandertreffen sei eine Fügung des Schicksals gewesen. Keine n von beiden hatte die Auseinandersetzung oder ihre Härte überrascht.
    Adam hatte wieder eine Fregatte erhalten, die
Zest
. Ihr Kommandant war im Kampf mit einem unbekannten Schiff gefallen. Er war der einzige Tote, so wie Adam der einzige Überlebende der
Anemone
war, einen zwölfjährigen Schiffsjungen ausgenommen. Alle anderen waren gefallen, ertrunken oder gefangengenommen worden.
    Die einzige mündliche Zeugenaussage heute morgen war von ihm gekommen. Es gab nur noch eine einzige andere Informationsquelle. Nachdem die
Unity
erobert und nach Halifax gebracht worden war, hatte man das Logbuch gefunden, das Beer noch während des Angriffs der
Anemone
geführt hatte. Im Gerichtssaal herrschte Stille wie draußen im fallenden Schnee, als der älteste Gerichtsdiener Beers Aufzeichnungen laut vorlas. Sie betrafen den heftigen Angriff der Fregatte ebenso wie die Explosion an Bord der
Anemone
, die aller Hoffnung, sie als Prise zu nehmen, ein Ende gesetzt hatte. Beer hatte auch notiert, daß er wegen der eigenen erlittenen Schäden am Schiff die Verfolgung des Konvois abbrechen mußte. Am Ende des Berichts hatte er geschrieben:
Wie der Vater, so der Sohn!
    Ein paar Blicke wurden unter den Offizieren des Gerichts gewechselt, mehr nicht. Die meisten ahnten nicht, was Beer damit gemeint hatte. Andere wollten sich zu keinerlei Bemerkung hinreißen lassen, die das Urteil vorwegnehmen könnte.
    Adam schien es, als habe er in der Stille des Raums die Stimme des großen Amerikaners gehört, so als stünde Beer selber dort, um Zeugnis abzulegen von dem Mut und der Ehre seines Gegners.
    Bis auf Beers Logbuch gab es in der Tat wenig als Beweis dessen, was tatsächlich geschehen war. Und wenn ich immer noch Gefangener wäre? Wer würde mir helfen? Man würde sich an mich nur noch als an den Kapitän erinnern, der vor dem Feinde seine Fahne strich. Ob nun verwundet oder nicht, die Kriegsartikel ließen kaum Spielraum für Milde zu. Du bist so lange schuldig, bis zweifelsfrei das Gegenteil bewiesen ist.
    Er preßte hinter dem Rücken die Finger zusammen, damit der Schmerz ihm half, Haltung zu bewahren.
Ich habe die Fahne nicht gestrichen. Damals nicht, noch zu irgendeiner anderen Zeit.
    Er hatte in Erfahrung gebracht, daß zwei Kommandanten, die da vor ihm zu Gericht saßen, einst auch vor einem Kriegsgericht angeklagt worden waren. Vielleicht erinnerten sie sich, zogen Vergleiche. Dachten vielleicht daran, was geschehen wäre, wenn die Spitze des Säbels auf sie gezeigt hätte… Er trat vom Fenster zurück und stellte sich vor einen großen Spiegel. Wahrscheinlich prüften hier alle Offiziere den Sitz ihrer Uniform, um sicherzugehen, daß sie die Billigung des Admirals fand. Er starrte unbewegt auf sein Spiegelbild, drängte die Erinnerung zurück. Doch sie war immer da, unauslöschbar und beständig. Er sah seine glänzenden goldenen Schulterstücke. Kapitän mit vollem Rang. Wie stolz sein Onkel gewesen war. Wie alles andere, war auch seine Uniform neu. Alle seine sonstigen Besitztümer lagen in seiner Seekiste auf dem Grund des Meeres. Selbst der Säbel auf dem Tisch des Gerichts war nur geliehen. Er dachte an die wunderschöne Klinge zurück, die die Kaufmannschaft der Stadt London ihm verehrt hatte. Ihr gehörten die drei Schiffe, die er gerettet hatte.
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