Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
um Fisch vom Markt zu holen. Fisch gab es immer pünktlich, im Frieden genauso wie im Krieg.
    Er hatte ihr Leben verändert wie sie seins. Ein Leben, das weit über die Forderungen von Pflicht und Gefahren hinausging, etwas, das nur sie beide teilten, das Leute veranlaßte, sich umzudrehen und sie beide anzustarren. So viele ungestellte Fragen, etwas das andere nie verstehen würden.
    Sie berührte ihn. Wird er mich immer noch schön finden, wenn er von neuem Kampf aus fernen Ländern zurückkehrt? Ich würde für ihn sterben.
    Sie griff nach den Vorhängen, um sie zu schließen, und stand dann still, als halte sie jemand fest. Sie schüttelte den Kopf, ärgerlich über sich selber. Es war nichts. Sie wischte mit dem Schal über die Fensterbank und starrte nach unten auf die Straße, den Walk, wie sie hier hieß. Mondlicht fiel auf schwarze, blattlose Baumskelette. Dann hörte sie es: Räder ratterten über Kopfsteine, die Hufe eines Pferdes klapperten. Es bewegte sich langsam, als schien es sich seines Weges nicht sicher. Ein höherer Offizier kehrte gerade zu seinem Quartier in der Kaserne zurück, nach einer Nacht am Kartentisch oder – viel wahrscheinlicher – in den Armen seiner Geliebten.
    Sie sah genauer hin. Schließlich rollte ein kleines Gefährt durch einen Streifen Mondlicht. In seinem kalten Glanz sah sogar das Pferd silbrig aus. Zwei Kutschlampen brannten wie helle, kleine Augen auf der Suche nach dem Weg.
    Sie seufzte. Da hatte sicher jemand zuviel getrunken. Der Kutscher würde ihm für diese Heimfahrt viel Geld abnehmen. Doch das Wägelchen drehte auf der Straße und kam genau auf ihr Haus zu.
    Sie starrte nach unten, konnte kaum atmen. Die Kutschentür öffnete sich, ein weißes Hosenbein erschien und blieb unschlüssig auf dem Tritt stehen. Der Kutscher gestikulierte mit seiner Peitsche wie in einer Pantomime. Dann stieg der Gast aus der Kutsche auf das Pflaster. Die Goldknöpfe seiner Jacke glänzten wie Silbermünzen.
    Plötzlich stand Richard neben ihr, legte den Arm um ihre Hüfte, und sie war sich nicht sicher, ob sie ihn gerufen hatte.
    Auch er sah auf die Straße. Der Marineoffizier musterte das Haus, während die Kutsche wartete.
    »Von der Admiralität?« Sie wandte sich ihm zu.
    »Nicht zu dieser Stunde, Kate.« Er schien eine Entscheidung zu treffen. »Ich gehe nach unten. Es wird ein Irrtum sein.«
    Catherine sah wieder auf die Straße, doch die Gestalt vor der Kutsche war verschwunden. Das Knallen der vorderen Haustür zerriß die Nacht wie ein Pistolenschuß. Ihr war das egal. Sie mußte bei ihm sein, gerade jetzt.
    Sie wartete oben auf der Treppe. Die Kälte kroch ihre Beine empor, als Bolitho die Tür öffnete, die vertraute Uniform und das Gesicht erkannte.
    »Catherine«, rief er, »es ist George Avery!«
    Jetzt war auch die Haushälterin da, murmelte vor sich hin und holte neue Kerzen. Ganz offensichtlich mißbilligte sie solch nächtliche Besuche.
    »Bringen Sie irgend etwas Warmes, Mrs. Tate«, sagte Catherine, »und auch etwas Cognac.«
    George Avery, Bolithos Flaggleutnant, setzte sich, als ob er sich erst sammeln müßte. Dann sagte er: »In Ehren freigesprochen, Sir Richard!« Da entdeckte er Catherine und erhob sich. »Mylady!«
    Sie kam nach unten und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Berichten Sie. Ich kann das alles noch gar nicht glauben.«
    Avery sah auf seine schmutzigen Stiefel. »Ich war dabei, Sir Richard. Ich hielt es nur für richtig. Ich weiß, was es heißt, vor einem Kriegsgericht zu stehen – vor der Möglichkeit, in Ungnade zu fallen oder das eigene Ende zu erfahren.« Er wiederholte sich. »Ich hielt es nur für richtig. An der Südküste liegt sehr viel Schnee. Die Telegraphentürme waren vom einen zum anderen nicht mehr zu erkennen. Es hätte noch einen ganzen Tag dauern können, bis Sie die Nachricht bekommen hätten.«
    »Aber Sie sind gekommen?« Catherine sah, wie Bolitho nach seinem Arm griff.
    Überraschenderweise grinste Avery. »Die längste Strecke bin ich geritten. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich die Pferde gewechselt habe. Schließlich hab ich mich dem Kerl da draußen überlassen, weil ich sonst Ihr Haus sicher nicht gefunden hätte.« Er griff nach dem Glas Cognac. Seine Hand zitterte unkontrolliert. »Das kostet mich wahrscheinlich einen Jahressold. Und ich fürchte, die nächsten vier Wochen werde ich nicht bequem sitzen können.«
    Bolitho trat ans Fenster.
In Ehren freigesprochen.
So gehörte sich das. Aber die Dinge liefen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher