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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz
Autoren: Alexander Kent
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wegen wie einen gemeinen Dieb!«
    Er starrte in die Gesichter auf der anderen Seite des Tisches, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Seine Haltung täuschte jeden. Er wußte, er würde zusammenbrechen, wenn er jetzt fortfuhr. »Ich habe den Ehrensäbel einem Sammler verkauft, der solche Dinge schätzt.« Hinter ihm hörte er überraschte Stimmen. »Was das Geld angeht, das habe ich George Starrs Witwe gegeben. Es ist sicher alles, was sie je empfangen wird, denke ich.«
    Er verbeugte sich steif, drehte sich um und ging durch die Stuhlreihen mit der Hand an der Seite, als würde er den alten Schmerz gleich wieder fühlen. Er achtete nicht auf die Gesichter, die Mitgefühl, Verständnis, ja sogar Scham zeigten. Er sah nur auf die Tür, die ein Seesoldat mit weißen Handschuhen bereits für ihn öffnete. Seine eigenen Seesoldaten und Seeleute waren an jenem Tag gefallen, und kein Ehrensäbel konnte sie je wieder zum Leben erwecken.
    Im Vorraum warteten schon ein paar Leute. Hinter ihnen sah er es schneien. Alles so sauber nach dem Vorgefallenen.
    Ein Mann in Zivil trat vor und streckte ihm die Hand entgegen. Irgendwie schien Adam sein Gesicht vertraut, doch er wußte, er war ihm noch nie vorher begegnet.
    Der Mann zögerte. »Entschuldigen Sie, Kapitän Bolitho! Ich sollte Sie nicht länger aufhalten nach all dem, was Sie eben durchgemacht haben.« Er suchte mit dem Blick nach einer Frau, die weiter hinten saß und sie genau beobachtete: »Meine Frau, Sir!«
    Adam wollte am liebsten gehen. Bald würden ihn alle umringen, ihm gratulieren, ihn für seine Tat loben. Hätte die Säbelspitze auf ihn gedeutet, hätten sie ihn mit dem selben Interesse beobachtet. Doch irgend etwas hielt ihn zurück, als habe jemand laut gesprochen.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
    Der Mann war sicher weit über sechzig Jahre alt. Als er sprach, spürte man seine Haltung und seinen Stolz. »Ich heiße Hudson, Charles Hudson, verstehen Sie…« Er schwieg sofort, als Adam ihn fassungslos anstarrte.
    »Richard Hudson war mein Erster Offizier auf der
Anemone
«, sagte er. Er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Hudson hatte die Flaggleine mit seinem Entermesser gekappt, als Adam verwundet auf dem Deck lag und sich nicht bewegen konnte. Wieder schien ihm, als sei er nur Zuschauer, als höre er andere sprechen.
Ich habe Ihnen befohlen, mit dem Schiff zu kämpfen!
    Jeder Atemzug wühlte in seiner Wunde wie glühendes Eisen. Während
Anemone
unter ihnen starb, als der Feind längsseits ging. Und dann Hudsons letzte Worte, ehe Adam in das Boot hinab gehievt wurde.
Wenn wir uns je wiedersehen…
Adam erinnerte sich genau an seine Antwort.
Ich werde
Sie töten, verdammt noch mal. Und Gott ist mein Zeuge.
    »Wir haben nur einen einzigen Brief von ihm bekommen.« Wieder blickte Hudson zu seiner Frau hinüber, die ihm zunickte, als wolle sie ihm helfen. Sie sah zerbrechlich aus und unwohl. Die Reise hierher hatte sie Kraft und Überwindung gekostet.
    »Wie geht es ihm?« fragte er.
    Charles Hudson schien nicht zuzuhören. »Mein Bruder war Vizeadmiral. Er machte seinen Einfluß geltend, damit Richard auf Ihr Schiff kommandiert wurde. Er sprach immer sehr warm von Ihnen, wenn er an uns schrieb… war stolz, unter Ihnen zu dienen. Als ich von dem Kriegsgericht hörte – so wagen sie es ja wohl zu nennen –, mußten wir natürlich kommen. Wir wollten Sie sehen und Ihnen für alles danken, was Sie für Richard getan haben. Er war unser einziger Sohn.«
    Adam riß sich zusammen. »Was ist passiert?«
    »Er schrieb in seinem Brief, er wolle Sie finden, um etwas… um etwas klarzustellen.« Er ließ seinen Kopf hängen. »Man schoß auf ihn, als er zu fliehen versuchte, und tötete ihn.«
    Adam fühlte den Raum schwanken wie das Deck eines Schiffes. Die vergangenen Monate, der Schmerz, die Verzweiflung, die Wut auf das Geschehene: Immer nur hatte er an sich selbst gedacht.
    »Ich werde das meinem Onkel berichten, wenn ich ihn treffe. Ihr Sohn kannte ihn«, sagte er. Dann ergriff er den Arm des Mannes und geleitete ihn zu seiner Frau. »Richard hatte mir nichts zu erklären. Jetzt, da er seinen Frieden hat, wird er das wissen.«
    Hudsons Mutter erhob sich, hielt ihm ihre Hand entgegen. Adam beugte sich vor und küßte ihre Wange. Sie fühlte sich wie Eis an.
    »Danke.« Er sah sie beide an. »Ihr Verlust ist auch meiner.«
    Er blickte sich um, als hinter ihm ein Leutnant leise hüstelte und murmelte: »Der Hafenadmiral möchte Sie gerne sprechen,
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