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Unter dem Banner von Dorsai

Unter dem Banner von Dorsai

Titel: Unter dem Banner von Dorsai
Autoren: Gordon R Dickson
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und blickte mich an. Doch ich war noch immer zu schwerfällig.
    „Ich verstehe … noch immer nicht“, sagte ich. „Sie sagen, es hätte mich nicht beeinflußt, was Sie mit ihr machten. Welchen Nutzen hatte es dann …?“
    „Keinen, soweit wir es damals berechnen oder bis heute herausfinden konnten. Wenn Lisa an Sie gebunden war, dann waren Sie es natürlich auch an Lisa. Aber es war so, als nähme man einen Faden und fesselte eine Nachtigall an den Finger eines Riesen – wenn man das relative Ausmaß Ihres Beeinflussungspotentials auf das Entwicklungsmuster mit dem Lisas vergleicht. Nur Lisa selbst glaubte, es sei vielleicht nützlich.“
    Er wandte sich um.
    „Auf Wiedersehen, Tam“, sagte er. Der dahinschwebende, neblige Dunst löste sich allmählich auf, und ich sah ihn auf die Kirche zugehen, aus der die Stimme des einzelnen Sprechers drang, der nun die Nummer des letzten Liedes aufrief.
    Er ließ mich völlig durcheinander zurück. Doch dann lachte ich plötzlich laut auf, denn ich begriff mit einemmal, daß ich ihm überlegen war. Er hatte nicht einmal mit all seinen ontogenetischen Kalkulationen herausfinden können, warum ich dadurch gerettet werden konnte, indem sich Lisa an mich band.
    Als ich dies nun begriff, drehte sich die Kompaßnadel meines Lebens mit einem Ruck herum – um hundertachtzig Grad. Und plötzlich sah ich alles in einem ganz neuen Licht, ganz klar und deutlich und einfach. Es änderte sich gar nichts für mich; mein Verlangen, mein Ehrgeiz und mein Antrieb – alles blieb wie es war. Mit dem einen Unterschied, daß ich nun eine völlige Kehrtwendung vollführte. Erneut lachte ich laut auf: Es war so einfach, so vollkommen klar. Denn nun verstand ich, daß die eine Zielsetzung nur die Umkehrung der anderen war.
     
    ZERSTÖREN : AUFBAUEN
     
    AUFBAUEN – die schlichte und einfache Antwort, nach der ich all die Jahre gesucht hatte, um Mathias und seiner Leere standzuhalten. Dazu war ich geboren. Das war es, was vom Parthenon und der Enzyklopädie verkörpert wurde – und von der ganzen Menschheit selbst.
    Ich war wie wir alle, selbst Mathias, dazu geboren, aufzubauen und nicht zu zerschmettern, ein Schöpfer zu sein und kein Zerstörer – wenn wir nicht vom rechten Weg abkamen. Jetzt war ich wie eine neue und reine Saite, die von allen Verunreinigungen gesäubert worden war – jede Faser, jedes einzelne Atom meines Wesens, erklang in dem klaren und unveränderbaren Ton, der der einzige und wahre Sinn des Lebens war. Benommen und müde wandte ich mich schließlich von der Kirche ab, ging zu meinem Wagen und stieg ein. Inzwischen hatte es fast ganz aufgehört zu regnen, und der Himmel klarte rascher auf. Die dünnen Nebelschlieren trieben auseinander und wirkten nun irgendwie freundlicher. Und die Luft war frisch und belebend.
    Ich öffnete die Wagenfenster, als ich vom Parkplatz fuhr und auf die lange Straße einbog, die zum Raumhafen führte. Und durch das offene Fenster neben mir hörte ich, wie die Gemeinde im Innern der Kirche das letzte Lied anstimmte.
    Es war die Kampfhymne der Quäkersoldaten, die sie sangen. Und als ich die Straße hinunterfuhr, fort von der Kirche, da schienen mir die Stimmen nachzuwehen, ohne dabei leiser zu werden. Sie klangen nicht düster und kummervoll, um einem Toten ein trauriges Lebewohl zu sagen, sondern jubelnd und triumphierend – wie ein Marschlied auf den Lippen jener Soldaten, die am Morgen eines neuen Tages ins Feld zogen.
     
    Frage nicht, Soldat – nicht jetzt noch irgendwann!
    In welchen Krieg dein Banner dich führen mag!
     
    Der Gesang folgte mir, als ich fortfuhr. Und als ich mich weiter von der Kirche entfernte, schienen die Stimmen miteinander zu verschmelzen, bis sie schließlich wie eine einzige klangen, die laut und kräftig sang. Vor mir brach die Wolkendecke auf. Die Sonne schien hindurch, und die Flecken aus blauem Himmel waren wie glänzende, im Wind flatternde Fahnen.
    Ich betrachtete diese einzelnen Flecken, als ich mich dem Bereich näherte, wo sie sich schließlich vereinten und alle Wolken verdrängten. Und noch eine ganze Zeitlang lauschte ich dem Gesang hinter mir, während ich dem Raumhafen und dem Raumschiff zur Erde entgegenfuhr. Und Lisa, die dort im Sonnenlicht auf mich warten würde.

 

Nachwort
     
    Der Autor dieses Romans, Gordon Rupert Dickson, wurde 1923 in Edmonton, Alberta, geboren. Er wuchs in Kanada auf, siedelte mit seiner Familie im Alter von 13 Jahren in die USA über und studierte, unterbrochen
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