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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh
Autoren: Auerbach , Keller,
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entgegen. Sie können auch adressierte Taschen und Kisten an die Anleger liefern lassen. Mitnahme von Fracht ist bei der Monatskarte inklusive.«
    »Und wo bekomme ich so eine Karte?«
    Er zeigte auf eine kleine Kiste neben dem Eingang zur Brücke. Auf dem Deckel stand in geschwungenen Lettern: Nantes Pille gegen Seelentief – die Rundfahrt ohne Großstadtmief.
    »Jeder, der mir einen guten Spruch für die Rieke bringt, bekommt eine Sonderfahrt gratis«, sagte er.
    »Ich dachte, die Sprüche sind von Ihnen.«
    Nante nickte. »Bis jetzt ja – aber ich hoffe immer noch auf einen, der es besser macht.«
    Pippa öffnete das Kästchen und fand zu ihrem Erstaunen zuoberst auf etlichen anderen Fahrkarten eine mit ihrem Namen. Bevor sie etwas sagen konnte, erklärte Nante: »Hat Viktor bezahlt. Falls Sie es länger aushalten, sollen Sie mir Bescheid sagen. Ich rechne dann am Ende mit ihm ab.«
    Pippa nahm die Monatskarte aus dem Kästchen und wollte sie in ihrem Rucksack verstauen.
    »Lassen Sie die Karte mal ruhig, wo sie ist. Das tun die anderen auch. So können Sie sie nicht verlieren.«
    Pippa ahnte, dass dieses Angebot nicht jedem zuteil wurde. Sie gehörte jetzt zum exklusiven Verein derjenigen, die dieses Schiff jederzeit besteigen durften und willkommen waren. Sie wollte sich bei ihm bedanken, aber er schüttelte abwehrend den Kopf.
    »Karin und Viktor haben gute Vorarbeit geleistet. Demnach müssen wir alle dankbar sein, dass Sie überhaupt bei uns sind. Eine echte Globetrotterin mit Intellekt.« Er seufzte. »Für die Rieke sind Sie allerdings eine Herausforderung: Die liegt heute tief im Wasser. Die Großbestellungen für die Insulaner ist sie ja gewöhnt – aber Ihre Bücher!«
    Pippa grinste. Sie würde dieses Schiff definitiv öfter benutzen, und das nicht nur für die neuneinhalb Minuten zwischen Tegelort und Schreberwerder.
    In diesem Moment pfiff Nante leise durch die Zähne. »Sieh mal an: ganz großer Bahnhof für die neue Insulanerin.«
    Er zeigte auf den Landungssteg, auf dem sich sechs Laubenpieper eingefunden hatten.
    Pippa schüttelte den Kopf. »Eher fliegender Wechsel. Viktor will heute noch nach Frankfurt. Da trifft er sich mit seiner … Reisebegleitung.«
    Nante grinste. »So wie ich das verstanden habe, mit der ersten von vielen.«
    »Karin nennt sie die Frankfurt-bis-Mailand-Frau«, fügte Pippa hinzu. »Dann kommt die Mailand-bis-Rom-Bekannte und danach die Rom-Neapel-Capri-Begleiterin. Und so weiter und so weiter. Rund um den Stiefel.«
    Nante zog genießerisch die Luft ein. »Ich frage mich, ob das auch hier möglich wäre … die Hakenfelde-Wasserstadt-Frau, die Schreberwerder-Saatwinkel-Geliebte …«
    Pippa lachte und sah dann wieder hinüber zum Anleger. Vom Empfangskomitee erkannte sie nur Karins Vater. Heute allerdings hatte Viktor Hauser seine gewohnte Uniform – Latzhose und kariertes Hemd – gegen einen leichten Sommeranzug vertauscht und trug dazu einen Panamahut, der seine noch immer volle, schlohweiße Haarpracht verdeckte. Auf einer Schubkarre neben ihm lagen zwei imposante Koffer.
    »Bella Figura, wie der Italiener sagen würde«, stellte Nante anerkennend fest.
    Pippa zog einen Zettel aus der Hosentasche. »Kennen Sie die anderen Bewohner der Insel? Ein Luis und eine Dorabella sollen mich einweisen.«
    Nante nickte. »Zusammen mit Viktor Schreberwerders Hardcore-Dauerwohner.« Er zeigte auf eine Dame stattlichen Alters, die sich gerade schwer auf die Bank am Ende des Landestegs fallen ließ und ihre Krücken gegen die Balustrade lehnte. »Dorabella von Schlittwitz, echte Wilmersdorfer Witwe. Kein Geld – aber Haltung.« Die Bewunderung in Nantes Stimme war nicht zu überhören. »Sie ist schwer krank. Schmerzen überall, aber nie ein Wort über ihre Krankheit. Wie die noch ihren Garten schafft, ist allen ein Rätsel.« Nante drehte das Steuer und brachte die Rieke langsam längsseits. »Luis Krawuttke ist der kleine Dicke neben Viktor.«
    Pippa musterte den Mann: Mitte sechzig, klein, grauhaarig und mit verwegenem Viertagebart.
    »Einen Freund wie Luis gewinnt man nicht im Roulette. Wenn der Sie mal mag, haben Sie auf der Insel ausgesorgt.«
    »Und wer sind die anderen?«
    »Die beiden, die aussehen, als hätten sie Stöcke verschluckt und würden einander nicht kennen, sind das Ehepaar Marthaler. Die fahren immer schon Sonntagmittag zurück in die Stadt. Die gehören zu der Spezies Mensch, die sich an einem freien Tag unwohl fühlt und gegen ihr Schuldgefühl hohe
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