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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh
Autoren: Auerbach , Keller,
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du die Nachbarn kennenlernst.«

Kapitel 2
    D ie Ampel sprang auf rot. Freddy bremste viel zu spät und schaffte es nicht mehr, dem Blitz zu entgehen.
    »Verdammte Berliner Straßen«, fluchte er, »viel zu eng und viel zu voll! Bei der Wasserschutzpolizei sind wir besser dran: die Havel, die Spree, die Kanäle … die Weite!«
    »Eben«, bestätigte Pippa, »dann verstehst du ja, warum ich deinem Beispiel folge und mich aufs Wasser zurückziehe. Zu Wind und Wellen und Ruhe. Himmlischer Ruhe.«
    Freddy verzog ärgerlich das Gesicht über seinen taktischen Fehler und wechselte die Strategie. »Überleg es dir noch mal, Pippa. Du bist ein Stadtmensch. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass zu viel Ruhe auch … unruhig machen kann. Tagaus, tagein auf dem Boot. Immer das gleiche Wasser. Das muss man wirklich mögen. Im Sommer holt man sich einen Sonnenbrand und im Winter eine Blasenentzündung.«
    »Schreberwerder ist eine Insel, Freddy, kein Boot. Bei Sonne finde ich Schatten unter einem Baum, bei Regen Schutz in einem Häuschen mit zwei Zimmern und einem dicken Holzofen. Und im Winter bin ich längst zurück in der Transvaal 55. Leider.«
    Pippa sah ihren Bruder von der Seite an. Sein grimmiges Gesicht sprach Bände. Seit dem ersten Tag ihrer Rückkehr nach Berlin hatte er es genossen, die Füße nach dem Dienst hochlegen zu können, denn Pippa nahm ihm viele lästige Pflichten ab. Die Aussicht auf die Vertreibung aus diesem Paradies und die Vorstellung, ab sofort wieder allein für Einkaufsdienste, das Hüten fremder Kinder und Gassi-Gehen der Hunde zuständig zu sein, brachten beim sonst so maulfaulen Freddy ungeahnte rhetorische Fähigkeiten ans Tageslicht.
    »Schreberwerder ist perfekt für mich«, erklärte Pippa sanft und nicht zum ersten Mal, »außerdem bleibe ich nicht ewig fort. Nur solange Karins Vater mit seinen Internetbekanntschaften durch Italien gondelt. Und wir wünschen ihm doch beide einen langen, erholsamen Urlaub, nicht wahr?«
    »Du wirst dich einsam fühlen«, begehrte Freddy verzweifelt auf, »und langweilig wird es auch. Keinerlei Abwechslung außer deinen Haubentauchern.«
    Pippa sah aus dem Seitenfenster, um ihr Grinsen zu verbergen. »Nett, dass du dich um meine Unterhaltung sorgst, aber ich ziehe nach Schreberwerder, damit ich genau davon ein bisschen weniger habe. Außerdem leben auf der Insel ganz reizende Menschen.«
    »Verschrobene Waldschrate und wortkarge Eigenbrötler.«
    »Je wortkarger, desto besser«, parierte Pippa.
    »Ich habe verstanden«, schnappte Freddy und hüllte sich in beleidigtes Schweigen, bis der kleine Anleger in Sicht kam.
    Freddy parkte den klapprigen Fiat seiner Eltern und sah auf die Havel, als wäre sie sein persönliches Eigentum. Während sie Pippas Reisetaschen, den Laptop-Rucksack und zwei große Kisten entluden, demonstrierte Freddy, dass er über alles und jeden auf den Berliner Gewässern Bescheid wusste.
    »Dein Schiff heißt Rieke , reines Passagierschiff, bis zu dreißig Personen, freies Vor- und Achterdeck und ein Salon für Regen. Die Rieke pendelt im Zwei-Stunden-Takt zwischen den nördlichen Havelinseln und dem Festland. Das hier ist eine der Bedarfsanlegestellen«, dozierte er und zeigte auf eine Messingglocke. »Du musst läuten, wenn das Schiff in Sicht kommt. Dann weiß Nante Bescheid und holt dich ab. War mal ein Kollege von mir, bevor er den Fährdienst übernahm.« Freddy klang ein klein wenig neidisch. »Jetzt ist er sein eigener Herr und muss keine Nachtdienste mehr schieben.«
    Pippa angelte einen Fährplan aus dem Plexiglashalter neben der Schiffsglocke und las das handgemalte Schild.
    Einmal läuten und kurz warten, dann bringt Nante dich zum Garten!
    Sie lachte. »Humor scheint der Mann jedenfalls zu haben!«
    »Und pünktlich ist er auch.« Freddy zeigte auf die Rieke , die gerade auf Tegelort zusteuerte.
    Pippa läutete kräftig. Ein lautes Tuten der Fähre war die prompte Antwort.
    Freddy wagte einen letzten Vorstoß. »Die Rieke fährt nur von acht Uhr früh bis zehn Uhr abends. Sollten dir heute Nacht Bedenken kommen, ruf mich im Dienst an. Ich erkläre deine Rettung von Schreberwerder sofort zum Notfall und bin ruckzuck mit dem Schnellboot da, um dich in die Transvaal zurückzuholen. Wenn du willst, stelle ich die Kisten schon mal in den Wagen zurück. Für alle Fälle.« Er sah sie hoffnungsvoll an.
    Pippa unterdrückte ein Lächeln. Jeder wusste, dass ihr Bruder auf der Station der Wasserschutzpolizei in der Regel einen sehr
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