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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh
Autoren: Auerbach , Keller,
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beobachtete.
    Dorabella lag mit geschlossenen Augen auf dem alten Ledersofa. »Nimm den Borsalino«, murmelte sie, »der hat so was Verwegenes. Das passt zu dir.«
    Viktor drehte sich zu ihr um. »Bist du wirklich sicher, dass ich fahren soll?«
    Seine Freundin öffnete die Augen und sah ihn entgeistert an. »Du willst doch jetzt keinen Rückzieher machen, oder? Maja, Agnes, Bertha und Co. – alle warten auf dich.«
    »Ich hoffe, wenigstens eine davon kann dir auch nur annähernd das Wasser reichen.« Viktor ging zum Sofa und setzte sich neben Dorabella, die bei der Bewegung zusammenzuckte. »Hast du Schmerzen, Liebste?«
    Dorabella versuchte ein Lächeln. Die Anstrengung war ihr anzusehen. »Nicht mehr als sonst. Nein. Ich habe Angst.«
    »Weil ich gehe?«
    Dorabella sah ihn durchdringend an. »Davor, dass du wiederkommst.«
    Viktor nickte und erhob sich. Dorabella stöhnte, als sich ihre Schmerzen durch die neuerliche Erschütterung wieder bemerkbar machten.
    »Ich bringe dir deine Tropfen.« Viktor ging zu seinem Esstisch, auf dem ihre Handtasche stand. Er griff hinein und reichte ihr wortlos ein Medizinfläschchen.
    Dorabella lächelte. »Du hast recht. Sich jetzt noch zurückzuhalten ist lächerlich. Bring mir bitte einen Esslöffel und ein wenig Zucker.«
    Sie blickte auf die Uhr. »Luis wird jeden Moment hier sein. Haben wir noch irgendetwas zu besprechen?« Sie verzog das Gesicht, als sie die Medizin schluckte.
    Viktor schüttelte den Kopf. »Ich denke, es ist alles bestens geplant.« Er sah zu zwei riesigen Koffern hinüber, die sein Schreberhäuschen auszufüllen schienen. »Luis kümmert sich um den Garten, und Herr X übernimmt das Einkaufen für dich, bringt dich zum Arzt und zum Frisör. Pippa wird sich um die Hühner kümmern und um das Haus. Ich denke, ich habe an alles gedacht.«
    »Ich glaube, dass es eine gute Idee war, Nante nicht hier einziehen zu lassen, denn er hätte …«
    In diesem Moment steckte Luis seine Nase zur Tür herein. »Die Rieke hat gerade in Tegelort abgelegt. Jetzt wird es Ernst, mein Lieber. Du übernimmst die Welt und ich Dorabella.«
    Während die Rieke langsam Richtung Marienwerder tuckerte, genoss Pippa die Junisonne und die frische Brise der Havel. Diese Seite von Berlin bekamen Touristen nur selten zu sehen und wenn, dann nur vom Deck der berühmten Weißen Flotte aus. Pippa erinnerte sich noch an den scharfen Grenzverlauf, der ganz in der Nähe Ost und West nicht nur getrennt, sondern auch seltsame Blüten getrieben hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite hatte es tatsächlich eine Lücke in der Mauer gegeben: eine Tür, die die Schrebergärtner eines West-Berliner Kleingartenvereins benutzen durften, um zu ihren Parzellen auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik zu gelangen. Eine Exklave der ganz besonderen Art.
    Pippa lächelte. Rosenkohl und Stangenbohnen trotzten jeder Diktatur. Wenn das kein tröstlicher Gedanke war. Damals wurde das gesamte Ufer scharf bewacht, heute konnte die Rieke friedlich ihre Bahnen ziehen: vom Tegeler See bis Konradshöhe und über Hakenfelde und Jungfernheide wieder zurück in den Tegeler See. Auf ihrer Tour legte sie an kleinen Inseln an, deren Wochenendhäuser durch ihre Abgeschiedenheit vom Großstadttrubel besonders begehrte Objekte waren.
    Pippa warf einen Blick auf das Achterdeck. Außer drei weiteren Fahrgästen, die die Rundfahrt als günstige Variante zu den teuren Fahrgastschiffen gewählt hatten, und zwei Fahrradfahrern, die ihren Ausflug ab Jungfernheide fortsetzen wollten, gab es keine weiteren Passagiere, dafür aber eine große Anzahl Einkaufstüten und -taschen, an denen Namenszettel hingen. Daneben stapelten sich Getränkekästen und Unmengen Sechserpacks Berliner Weiße und Mineralwasser.
    »Haben Sie eine kinderreiche Familie, Nante?«, rief Pippa zur Brücke hinein und deutete auf die Taschen.
    Nante nickte und machte eine ausladende Handbewegung, die die Inselwelt um sie herum einschloss. »Das trifft den Nagel auf den Kopf – jedenfalls wenn man das Benehmen einiger Insulaner betrachtet. Besonders die Herrschaften auf Schreberwerder sind oft alles andere als erwachsen – aber sagen Sie denen nicht, dass Sie das von mir haben!«
    Gekonnt wich Nante einem Motorboot aus, das aus der Wasserenge zwischen Valentins- und Schreberwerder geschossen kam.
    »Montags und freitags gehe ich vormittags für die Dauerwohner einkaufen. Die Mittagsfähre hat dann die Ware an Bord. Bestellungen nehme ich jederzeit
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