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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh
Autoren: Auerbach , Keller,
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eine kleine, ironische Verbeugung an. »Dann sehen wir uns spätestens, wenn mir das Mehl für den Einstandskuchen fehlt!«
    Pippa öffnete die niedrige Holztür und betrat beinahe andächtig den Raum, der sie in den nächsten Wochen und Monaten beherbergen sollte. Zwei große Fenster zeigten nach Westen und gaben den Blick frei auf den Garten, den Landungssteg und das Wasser. Das dritte Fenster ging zwar nach Norden, bot dafür aber ungehinderte Sicht auf den Tegeler See und das gegenüberliegende Ufer. Hier stand ein kleiner Esstisch, auf dem ein großer Topfkuchen wartete. Ein dicker Briefumschlag war mit Hilfe eines eindrucksvollen Küchenmessers am Kuchen festgespießt. Beim Essen zu lesen!
    Pippa grinste, als sie den Brief befreite und sich ein dickes Stück Kuchen abschnitt. Dann öffnete sie den Umschlag und holte eine lange Liste mit Anweisungen hervor. Viktor hatte nichts vergessen. In seiner Abhandlung werden seine acht Hühner und zwei Hähne mit Vorlieben, Abneigungen, Gefiederbeschreibung – und Namen – vorgestellt. Außerdem wurde Pippa gebeten, ab und an die Größe der Eier zu kontrollieren und bei Unterschreitung der Minimalmaße ein Stärkungsmittel zu verabreichen. Viktor beschrieb außerdem genauestens, wie das Wasser vom Brunnen in den Warmwasserboiler gepumpt wurde, wann es ratsam war, die Gasflasche von Luis wechseln zu lassen und wo sie an kühleren Abenden ausreichend Holz für den Kaminofen fand. Ein Tagesablauf, in dem auf das Mittagessen bei Luis und den abendlichen Sonnenuntergangsumtrunk auf dem Dorfplatz oder in seiner Hütte hingewiesen wurde, lag ebenso bei wie Vorschläge, wie und bei wem sie sich in allen Wechselfällen des Kleingärtnerlebens Hilfe holen konnte.
    Pippa seufzte selig und sah sich um.
    Außer der kleinen Küchenzeile gab es ein gut gefülltes Bücherregal, in dem Viktor für sie vorsorglich ein Brett freigeräumt hatte. Vom alten Ledersofa aus sah man durch die Fenster auf das Wasser hinaus und konnte den Sonnenuntergang betrachten. Gleich daneben stand eine kleine Bar, deren Inhalt bewies, dass die Kleingärtner von Schreberwerder in der Lage waren, aus einem Teil ihrer Erträge flüssige Nahrung herzustellen.
    Pippa ließ sich auf das Sofa fallen und schloss die Augen. Für Getränke war gesorgt. Für Obst und Gemüse musste sie nur kurz vor die Haustür treten, und ihren rauchenden Kopf konnte sie mit einem Sprung ins Havelwasser kühlen, wenn ihr danach war. Und es war still. Niemand sprach, es gab keine laute Musik, und kein Ball wurde zum Fenster hereingeworfen, um sie zum Spielen aufzufordern.
    Konnte der Mensch es besser haben? Pippa fiel nichts ein.
    Die nächsten Stunden verbrachte sie damit, ihr neues Reich in Beschlag zu nehmen. Sie bugsierte ihre Koffer die enge Stiege in den Giebel hinauf und stieß einen Schrei des Entzückens aus. Der Raum unter den Dachschrägen hatte zwar die Grundfläche der gesamten Hütte, war dafür aber niedrig. Nur unter der höchsten Stelle des Giebels konnte Pippa aufrecht stehen, aber das tat dem Charme des Zimmers keinen Abbruch. Viktor hatte die Wand an der Stirnseite komplett verglast. Das gab dem niedrigen Raum nicht nur freundliche Helle, sondern machte es auch möglich, dort an einem winzigen Schreibtisch zu arbeiten und sich gleichzeitig vom herrlichen Blick auf andere Parzellen, den Anleger und das Wasser inspirieren zu lassen. Der Raum war voller Bücher: Sie reihten sich beidseitig an den Längswänden entlang, stapelten sich an der hinteren Giebelwand, oder lagen, mit Lesezeichen versehen, neben dem Bett.
    Dem Schreibtisch gegenüber stand das alte Messingbett, auf das ihre Freundin Karin sie bereits mit den Worten »Nicht mal die Prinzessin auf der Erbse hätte an diesem Bett etwas auszusetzen!« vorbereitet hatte.
    Pippa warf sich mit einem Jubelschrei in die Kissen, genoss die wohlige Wärme und kuschelige Weichheit – und war im nächsten Moment eingeschlafen.

Kapitel 4
    A ls Pippa am nächsten Morgen erwachte, war es noch dunkel. Regen prasselte aufs Dach, und ein stürmischer Wind peitschte die Zweige einer Golderle gegen die Giebelfenster. Pippa lag ganz still. Sie genoss die Wärme des komfortablen Bettes und die beruhigenden Geräusche der Natur. Keine Ablenkung. Hier gab es nichts, was sie von ihren Aufträgen abhielt. Hier war Zeit und Ruhe, die Haubentaucher fristgerecht flügge werden zu lassen.
    Pippa kuschelte sich tiefer in die Kissen.
    Sie erinnerte sich schwach, mitten in der Nacht
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