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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
Autoren: Bente Varlemann
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bewegt und wer welches Zeug nimmt, ich will jetzt, dass Udo vorbeikommt, ich will, dass überhaupt mal jemand vorbeikommt, den ich auch nur ansatzweise kenne.
    Wo ist eigentlich Sabrina? Ich sitze immer noch in der Ecke auf dem Sofa. Alleine. Niemand setzt sich dazu. Ich hätte so viele schöne Geschichten zu erzählen. Ich mein, es ist zwar Technoparty, aber man kann sich ja auch mal ganz gesittet und gepflegt unterhalten. Zum Beispiel fällt mir gerade ein, als ich hier alleine auf einem Sofa sitze, dass ich Sofas schon immer mochte. Ich fühle mich auf ihnen irgendwie immer wohl. Außer das eine Mal, als ich auf einer Party versuchte, auf einem zu schlafen, und daran scheiterte, aus meiner Jacke einen Schlafplatz zu bauen.
    Es sitzt immer noch niemand neben mir. Ich glaube, ich rede mit mir selbst. Da würd ich mich auch nicht neben mich setzen, wenn ich jemand anders wäre. Ich bin aber niemand anders und ich möchte jetzt gottverdammt irgendetwas erleben! Ich sehe auf meine Uhr, es sind gerade mal neun Minuten vergangen, seit ich mich hier hingesetzt habe. Es ist unglaublich, wie die Zeit
nicht
vergeht. Es ist unglaublich, wie es mir geht. Ich stehe auf, dränge mich an Leuten vorbei, ich wanke eine Treppe hinauf und stehe deplatziert auf der Tanzfläche.
    Der Bass dröhnt, die Musik gefällt mir wirklich. Da sehe ich Udo. Er tanzt mit einer Art Stab herum, an dessen Ende sich ein Schmetterling befindet. Ich gehe zu ihm, er ist sehr bei sich und der Musik und dem Schmetterlingsstab. «Geile Party!», brüllt er mir ins Ohr, und ich brülle zurück: «Ja, vielleicht, ich würde gerne reden, und ich würde gerne was nehmen, und ich hätte auch Interesse an dem Schmetterling.» Udo guckt mich an. Dann guckt Udo den Schmetterling an. Und dann guckt er wieder mich an und sagt: «Irgendwann werd ich’s euch allen zeigen. Und zwar mit meinen Hoden!» Ich antworte nicht. Ich weiß, dass ich hier nichts mehr zu gewinnen und den Abend an sich verloren habe. Sabrina ist weg. Da sind Udo und der Schmetterling, der dröhnende Bass in all den Trommelfellen und unter den Schuhsohlen. Alles soll antreiben, alles soll losgehen, im Takt zur Musik, im Takt der Barkeeper, scheiß auf die Uhr, scheiß auf übermorgen. Ich sage nicht tschüs. Die Nacht ist mein Begleiter auf dem Nachhauseweg. In meinen Ohren klingt der Straßenlärm wie der Bass, es dröhnt. Überall.

Feng-Shui
    Meine Mutter ist in den Wechseljahren. Sie beginnt mit zunehmendem Alter und sinkendem Hormonspiegel merkwürdig zu werden. Ständig ist sie auf der Suche nach neuen Hobbys. Auf ihrem Grundstück befinden sich zwei große Teiche. Doch anstatt Seerosen zu pflanzen oder kleine Stege und Kieswege zu bauen, hat sich meine Mutter der Flusskrebszucht zugewendet. Ich musste Beweisfotos schießen, als sie die kleinen Tierchen in den Teich setzte. Ich musste mit einem Ganzkörperanzug durch den Teich waten, um die Tiere zu suchen. Bis jetzt ist keiner der Krebse jemals wieder gesehen worden. Doch das ist kein Problem für meine Mutter. Sie hat schon das nächste Hobby für sich entdeckt: Feng-Shui.
    Einige Monate nachdem ich mit Sabrina und Hund Lotto in die neue Wohnung gezogen bin, kommt sie mich besuchen und findet die Wohnung schrecklich. «Bente, also, so geht das nicht! Hier kann ja überhaupt kein Shi fließen! Da müssen wir ganz dringend was unternehmen, sonst fühlst du dich hier nicht wohl!» Alle Einwände meinerseits, dass ich mich sehr wohl wohlfühlen würde, werden sofort Feng-Shui-argumentatorisch totgeredet. «Die Jalousien müssen runter, da versendet jede Lamelle Giftpfeile genau auf dein Bett, deshalb kannst du auch nie schlafen!» «Mama», sage ich, «ich kann nicht schlafen, weil ich zu viel Kaffee trinke, unter meinem Fenster drei Spuren Schnellstraße verlaufen und die Nachbarn ein Baby bekommen haben!»
    Meine Mutter will das nicht verstehen. Die Jalousien bleiben vorerst dran, aber sie fährt mit mir zum nächsten Baumarkt, kauft kleine Glaskristalle, die die unsichtbaren Giftpfeile der Lamellen von meinem Schlafplatz abwenden sollen, Salbeipflanzen und allerlei seltsames Zeug, immer in doppelter Ausführung. «Bei Feng-Shui kannst du nur das innere Gleichgewicht halten, wenn auch das äußere stimmt! Du brauchst von allem zwei. Zwei ist die magische Zahl im Feng-Shui! Das ist das Yin-und-Yang-Prinzip!»
    Das ist das Ich-bin-in-den-Wechseljahren-Prinzip, denke ich mir. Wieder zu Hause, sieht meine Wohnung aus wie ein Esoterik-Laden, 120
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