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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
Autoren: Bente Varlemann
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Wieder nichts.
    Dann erzählte mir jemand, es gäbe eine Zeitung, in der sehr viele Wohnungsanzeigen inseriert würden. Dieses Magazin erschien einmal in der Woche, man müsse es sofort nach Erscheinen haben, um sich einen Vorteil gegenüber den anderen Wohnungssuchenden zu verschaffen. Am besten, man stellte sich vor die Druckerei und wartete, dann würde das schon klappen mit der Wohnung.
    Ich fuhr also am Erscheinungstag um fünf Uhr morgens nach Münster, um um acht Uhr vor der Druckerei mit dreißig anderen Leuten auf die Ausgabe der Zeitung zu warten. Um fünf nach acht warf jemand einen Karton vor die Tür, und alle Anwesenden stürzten sich darauf. Ich stand einfach nur da und konnte es nicht glauben. Menschen schrien, Menschen drängelten, und Menschen waren andere Menschen egal. Dabei ging es hier nur um eine überteuerte Wohnmöglichkeit und nicht ums Überleben.
    Nach drei Minuten hatten alle eine Zeitung und fingen sofort an, sich, auf dem Bürgersteig sitzend, einen kommunikativen und handynetzlahmlegenden Kampf zu liefern. Wer würde den Vermieter oder die WG -Bewohner zuerst erreichen? Der Mensch ist eine Maschine, die sich gerne von anderen programmieren lässt, wie’s besser geht, und so saß auch ich dort und telefonierte und hoffte und schwitzte. Ich hatte Glück und durfte am selben Nachmittag eine Wohnung besichtigen.
    Das besagte Appartement befand sich im Dachgeschoss eines schönen Altbauhauses. Ich war dort um drei Uhr mit der Vermieterin verabredet. Als ich um Viertel vor vier Uhr endlich Geräusche aus dem Treppenhaus vernahm, war ich glücklich und konnte es kaum erwarten, sie zu sehen, die Vermieterin und die Wohnung. «Dann wolln wir mal!», sagte die Frau, und ich ging mit. In solchen Augenblicken erwähnt man besser nicht die Verspätung, das bange Warten, den Anstand. Man hält einfach die Schnauze und hofft, dass sich alles zum Guten wendet.
    Wenn man in allem etwas Positives sehen will, dann sah die Wohnung ungefähr so aus: Sie hatte vier Zimmer, ideal für eine WG . Man hätte seinen handwerklichen Fähigkeiten freien Lauf lassen können, denn alles, wirklich alles musste dringend mal erneuert werden. In einem Zimmer war ein riesiges Loch in der Wand, wäre es die Wand zur Küche gewesen, hätte man eine schöne Durchreiche bauen können. War es aber leider nicht. Die Wände waren mit absurden Kinderzeichnungen bemalt und erinnerten stark an das Haus aus
Blair Witch Project
. Nur, dass hier niemand tot neben einer Handkamera lag. «Ham Se noch Fragen?», fragte die Frau. «Ja, mmhh, wissen Sie vielleicht, ob da noch ein anderer Boden unter dem Teppich ist?», brachte ich hervor. Nun erwartete ich daraufhin entweder ein: «Nee, keine Ahnung, wahrscheinlich Beton.» Oder ein: «Da muss ich mal in den Unterlagen nachschauen.» Die Frau vor mir zog hingegen ein Cuttermesser aus der Tasche, schnitt ein ein Quadratmeter großes Stück aus dem Teppich und sagte: «Dielen.»
    Aha, dachte ich, so kann man das mit Mutmaßungen auch lösen. Ich möchte zu gerne wissen, was passiert wäre, hätte ich gefragt, ob die Fenster doppelt verglast sind. Wahrscheinlich hätte sie einen Hammer genommen, die Scheibe eingeschlagen und gesagt: «Einfach.» Hätte ich mich nach der Nachbarschaft erkundigt, wäre sie wohl durch das Haus gerannt, hätte Türen aufgebrochen, auf die Mieter gezeigt und gesagt: «Nett.»
    Aus der Wohnung wurde nichts, was aus der Frau wurde, weiß ich nicht.
    Vier Wochen lang habe ich in Münster nach einem Zuhause gesucht, und am Ende hätte ich in eine Übergangswohnung ziehen können. Am Tag der Zusage wurde ich in Hamburg im Nachrückverfahren für die Fächer Empirische Kulturwissenschaften und Neuere deutsche Literatur angenommen. Ich habe damals zwei Stunden geheult, weil ich nicht wusste, wie ich mich entscheiden soll, trotz langer Pro-und-Contra-Liste. Die beste Freundin meiner Mutter riet mir: «Denk nicht so viel nach. Welche Stadt, egal warum, ist jetzt zuerst in deinem Kopf?»
    Ich habe dann die Pro-und-Contra-Liste gegessen, mir mit dem Ärmel den Rotz von der Nase gewischt und gesagt: «Hamburg.»

Ankommen in HH
    Doch auch in Hamburg brauchte ich etwas zum Wohnen. Zu meinem Glück war ich diesmal nicht allein, mit mir suchten noch meine Schulfreundin Sabrina und ihr Hund Lotto ein Zuhause. Nach zahlreichen Besichtigungen wurde uns Folgendes klar: Wir müssten uns erstens besser anziehen, so als hätten wir viel, aber mal so richtig viel Geld; zweitens wäre
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