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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
Autoren: Bente Varlemann
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Suche nach Udo durch den Club bewege und dabei das Gesöff aus Fusel, Ausdünstungen und abgebröselter Farbpampe, die mit Sicherheit von Handwerkern ohne Gewissen angebracht wurde – und das ist zu 100  Prozent ERWIESEN und keine Übertreibung –, also während ich das mache und überlege und das Zeug herunterkippe, will ich jetzt endlich auch mal Party!
    Überall dröhnt es. Der Bass ist unerträglich, und ich verliere die Orientierung. Oder gleich den kompletten Sinn. «Ich bin ohne Sinn und Verstand!», würde der Philosoph jetzt sagen, und ich hasse Philosophen. Oder wenn einer sagt: «Philosoph, bla, bla, bla, Philosoph.» Das hasse ich. Was soll denn bitte so toll daran sein, wenn sich jemand Gedanken zu Gedanken macht?! Das kann ich auch! Das mach ich den ganzen Tag!
    Wie sehen die anderen mich wohl in ihren Gedanken? Hab ich wieder was Falsches gesagt oder gemacht, und ich weiß es nicht? Dann mach ich mir Gedanken über Gedanken! Ich bin auch eine Philosophin! SO !
    Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, und langsam vergesse ich auch, wer ich bin und warum ich hier eigentlich herumlaufe. Ich setze mich in eine Ecke auf ein Sofa und bin jetzt mal ganz Philosophin und versuche über meine eigenen Gedanken nachzudenken. Ich weiß jetzt, warum man das studieren kann. Ist echt anstrengend. Schön, dass ich unter anderem Germanistik studiere, da brauche ich nicht so viel denken und kann mich selbst belügen, dass es schon für irgendwas gut ist.
    Doch belügen wir uns nicht sowieso schon die ganze Zeit? Ja, das ganze Leben? Ich hasse mich in diesem Moment so sehr wie den ganzen Tag noch nicht. Und zum Selbsthass hat es heute schon einige Gründe gegeben. Ich war verkatert aufgewacht und rollte mich anderthalb Stunden in den Laken herum, nur unterbrochen von kläglichen Lauten, dem Nippen an der Wasserflasche und zweimaliger Masturbation. Dafür hasste ich mich allerdings nicht, das tat gut und machte den Kater nicht schlimmer. Gegen morgendliche fünfzehn Uhr schabte ich mich aus dem Bett und stellte mich unter die Dusche. Danach konnte ich mich nicht entscheiden, was ich anziehen wollte. Alles schien mir zu eng, und wenn es weit war, fand ich mich zu fett. Ich verbrachte den Nachmittag in mein Handtuch gehüllt, und es fühlte sich so gar nicht nach diesen verdammten romantischen Filmen an. Nein, es war kalt, ich kam mir schäbig und nicht sexy vor, und ich hasste mich zum zweiten Mal. Zum dritten Mal hasste ich mich, als meine Haare nach zwanzig Minuten Föhnen, Kämmen und irgendwie «cool» Zusammenbinden aussahen, als hätte jemand versucht, mit einer Gabel Brot zu schneiden. Das vierte Mal, als ich mich schminkte und mir dabei Make-up in den Pony schmierte, den ich dann wieder waschen musste, was meine «Frisur» vollends zerstörte.
    Ich hasste mich zum fünften Mal, als ich mich im Spiegel sah und dahingehend loben konnte, in dieser Aufmachung bestimmt einen erfolgreichen Tag auf dem Straßenstrich verbringen zu können. So hangelte ich mich zu Hass Nummer sechs, weil ich Witze über Prostituierte machte.
    Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich mich etwa 138 -mal gehasst, und die Philosophin in mir verdient alleine schon mindestens 140 -mal Selbsthass.
    Wo ist Udo? Ich brauche jemanden, auf den ich meinen Hass projizieren kann. Aha! Rischtisch. Da fällt mir mein eigentlicher Plan wieder ein. Du willst Udo suchen und finden, denke ich. Geil. Ich bin so unglaublich INTELLIGENT ! Ich liebe mich! Boah, ich liebe mich einfach!
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Pillen nicht mehr wirken oder ob ich gerade mitten drauf bin. Egal, ich will jetzt Udo finden, und dann rede ich mit ihm darüber. Dann bespreche ich das mit dem, ob ich noch was nehme oder nicht.
    Ich belüge mich schon wieder. Sollte ich ihn finden, dann nehme ich was. Sonst müsste ich ihn gar nicht suchen, dann könnt ich auch einfach gehen, hier passiert eh nichts. Man braucht seinen Partyfreunden nie tschüss zu sagen, das ist ein ungeschriebenes Gesetz, das gehört beinahe schon zum guten Ton, das bedeutet nämlich entweder, man war so fertig, dass man nach Hause musste, oder man war so fertig, dass man noch weiter auf ’ne viel abgefahrenere Party gezogen ist. Auf jeden Fall war man fertig und hat sich nicht verabschiedet, und das ist für alle Partygänger immer ein Indikator für eine richtig gute Party.
    Überall dröhnt es. Der Bass schlägt an die Wände, Körperteile drücken gegen die Gegner Luft und Anziehungskraft. Egal, wer sich wie
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