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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
Autoren: Bente Varlemann
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bin übrigens Bente.» «Ja», antwortet Lukas, «aha. Hm, ist mir ein bisschen zu heavy, deine Meinung. Ähm, danke fürs Feuer. Bis nächste Woche.» Ja, dann eben tschüss. Sage und denke ich. Tschüss. Dann geh doch in deine Vorlesung, du strebsamer Starrer. Ich mach mir hier blöde Gedanken, weil ich
mega
gesagt habe, und du sagst
heavy
. Heavy Metal, Heavy Weight, Nicht-Heavy-Vorlesung oder was?
    Die restlichen Sitzungen komme ich mit Absicht zu spät, um möglichst weit weg von Lukas aka dem Starrer zu sitzen. Ich stoße nichts mehr um und rede mit niemandem.
     
    In der Germanistik gibt es durchaus ein paar passable Menschen, mit denen ich gerne Referate halte, Zigaretten rauche oder auf dem Flur über unwichtige Dinge spreche. Aber es gibt eben auch eine Vielzahl von merkwürdigen Menschen. Vor allem die, die Germanistik auf Lehramt studieren. Manche fragen, ob sie statt des Referats eine schriftliche Ausarbeitung abgeben können. Oder ob sie denn wenigstens den Vortragstext ablesen dürften. Da möchte ich am liebsten aufstehen, Kaffee wie Konfetti in den Raum kippen und schreien: «Wie willst du Lehrer werden und Kinder unterrichten, wenn du nicht mal vor deinen Kommilitonen ein popeliges Referat von zehn Minuten halten kannst?!» Mach ich aber nicht. Ich bleibe ruhig und versuche mich auf mich zu konzentrieren.
    Die anfängliche Euphorie über das neue, spannende Leben in Hamburg hat sich gelegt, und die Freiheit, alles machen zu können, ist der Erkenntnis gewichen, dass ich vieles, was ich nicht mag, trotzdem machen muss. Zum Beispiel, in der Uni zu sitzen und unglücklich verliebt und gelangweilt zu sein. Ich bemühe mich nicht um neue Freunde, ich bemühe mich auch um sonst nicht viel. Denn wenn ich bis jetzt vielleicht nicht viel in der Germanistik gelernt habe, dann immerhin das hier: Je mehr mir die anderen egal sind, desto eher sind die anderen bereit, mit mir in Kontakt zu treten. Vielleicht hat Lukas ja doch alles richtig gemacht, nur ich hab das damals noch nicht kapiert.

Endlich mal Party
    Samstagnacht, gib mir ’nen Rhythmus
    Samstagnacht, ich ruf dir ’ne Melodie in die Nachtluft
    Samstagnacht, für dich bin ich Nachtschwärmer
    Samstagnacht ist irgendwann Sonntagmorgen
und draußen wird’s hell
    Überall dröhnt es. Der Bass prallt wummernd von den Wänden, und von der Decke tropft das Kondenswasser in meinen Gin Tonic. Techno. Alles hier ist Techno. Oben spielen sie Drum ’n’ Bass, hier unten spielen wir Techno. Sabrina hab ich verloren, ist egal, wir wohnen ja zusammen, da kann auch mal jede ihre eigene Party auf derselben Party feiern. Dafür habe ich andere Menschen wiedergetroffen, zum Beispiel Udo. Udo ist ein Freund von Sabrina, und er ist ziemlich durchgeknallt. Ich war einmal bei ihm zu Hause, er hat eine Schwarzlichtröhre an seiner Zimmerdecke, und manchmal schaltet er sie ein, damit das fluoreszierende Wandgemälde (zu sehen ist ein Pilz, um welchen Feen fliegen) leuchtet. Ich habe selten etwas so Unästhetisches gesehen. Udo studiert Forstwirtschaft, er träumt davon, sich später ein Hausboot zu kaufen. «Dann kann ich immer weg, wenn ich will», sagt er, und ich kann das gut verstehen. Bis es so weit ist, feiert er bis zum Umfallen. Vorhin hat er mir diese kleinen Pillen mit dem Smiley drauf geschenkt, und dann waren wir tanzen. Jetzt habe ich auch Udo verloren.
    Ist egal, ich proste irgendwem zu, irgendwer ist ja immer da, und ich nippe an Gin und Schweiß und Deckenfarbe. Es ist unglaublich warm hier, allen hängen die Schweißtropfen wie eingeschlafene Beine an den Stirnen, die Blicke hängen an der Wand, in der Luft oder/und in einem Trip fest, der ins Ungewisse, ins Nichts starrt. Meine Mutter sagt zum Ins-Nichts-Starren immer: «Na, guckst du gerade ins Narrenkästchen?» Egal, wer hier wie in irgendein Kästchen starrt, hier sind heute alle irre. Ich wundere mich, warum ich jetzt an meine Mutter denke, und frage mich danach, ob ich das Wort «Mutter» irgendwie in den Beat einbauen kann. Mutter, Mutter, Mutter. Geht irgendwie, ist aber auch egal, jetzt ist hier Party angesagt!
    Ich nehme einen weiteren Schluck aus dem Gemisch Schnaps, Transpiration und Streiche. Es schmeckt noch ekliger, wenn ich mir vor dem Trinken Synonyme für die drei Inhaltsstoffe überlege.
    Ich denke, die Pillen wirken langsam nicht mehr. Ich sollte tanzen oder Sabrina finden oder Udo suchen oder schneller trinken. Oder alles zusammen. Während ich mich, leichtfüßig stolpernd, auf der
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