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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
Autoren: Bente Varlemann
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Pärchen, die sich, während du vor ihnen stehst und rumheulst, weil du dich alleine fühlst, ganz verliebt im Arm halten und sagen: «Ach, wie gerne wären wir auch wieder Single. Da hat man so viel Freizeit und kann einfach tun und lassen, was man will.»
    Da habe ich aber keine Lust drauf. Es ist anstrengend, sich ständig mit sich selbst zu beschäftigen. Das geht mir langsam so was von auf die Nerven, warum kann nicht ich, immer nur die anderen …
    Und während ich mich bemitleide, knutschen die beiden vor meiner Nase und sagen sich, dass sie einander brauchen und auf Freizeit scheißen. Ich hasse sie.
    Genau wie meine erste richtige Beziehung.
    Mit siebzehn lernte ich einen jungen Mann auf einer Party kennen, der zu mir passte wie mein Kleidungsstil, wir mochten uns. Wir trafen uns zufällig auf zwei weiteren Partys, und auf der letzten fragte er mich nach meiner Telefonnummer. Er rief mich an, und wir fuhren in seinem VW -Bus nach Hamburg ins Kino. Ich war beeindruckt. Dass jemand einfach so mit mir nach Hamburg fuhr, um einen Film zu sehen! Wir hätten schließlich auch in das Kino unserer Kleinstadt gehen können. Wir schauten einen langweiligen Film über einen Bungalow im Nirgendwo, und als wir uns danach vorm Kino schüchtern küssten, war klar, dass wir jetzt zusammen waren. Ja, so einfach war das damals. Niemand wog ständig das eine gegen das andere ab. Man tat, was man tun konnte. Das, was es zu tun gab, bestand nicht aus vielen Möglichkeiten, denn das hier war das Landleben, und es setzte sich aus Schule, Busfahren und Freunde-Besuchen zusammen.
    Immer wenn Doro, ich und die anderen uns abends zum Feiern in den Partykellern unserer Elternhäuser trafen, wir uns Che-Guevara-Buttons an die alten Bundeswehrparkas hefteten, ich pinke Puschel im Haar trug und wir alle gemeinsam die kommunistische Weltrevolution planten, stellten uns unsere Eltern einen Kasten Bier vor die Tür – in der stillen Hoffnung, wir würden zur «Vernunft» kommen oder unsere Pläne in Alkohol ertränken. Wir nahmen das temporäre Aktionsstillstandsangebot zwar an, hielten sie hinter verschlossener Partykellertür aber immer noch für kapitalistische Spießer.
    Im Keller durften also nur Gedanken geboren werden. Taten, das war nun klar, mussten dort stattfinden, wo Revolutionen wirklich beginnen: auf der Straße. Oder besser gesagt: auf dem nahe gelegenen Golfplatz. Denn dieser war für uns gleichzusetzen mit Rüstungskonzernen. Wir demonstrierten unseren Unmut über die Dekadenz der Golfspieler, indem wir auf den Platz pinkelten, unsere Bierflaschen in die Platzlöcher steckten und die Fahnen mitnahmen, um damit Schwertkämpfe zu simulieren. Manchmal machten wir uns am nächsten Nachmittag eine Freude, fuhren mit dem Fahrrad am Golfplatz vorbei und blickten in die traurigen Gesichter reicher Poloshirt-Menschen. Natürlich war das damals keine Revolution, höchstens eine Rebellion. Natürlich ist einfach nicht besser als schwierig. Und das bemerkte ich nicht nur, als es um Golfplätze und Eltern ging. Das bemerkte ich auch bei meinem ersten Freund.
    Denn die Einfachheit des Zusammenkommens brachte die Eigenschaften des anderen erst später zum Vorschein, weil keiner den anderen auch nur ansatzweise kannte.
    Ich berichtete Doro von den schlechten Küssen, die ich versuchte, durch mein, zugegebenermaßen irgendwann leicht aggressives, Gegenküssen zu verbessern. Nach einer Weile zeigte es seine Wirkung, und ich fühlte mich wie eine Wunderheilerin, hatte ich doch das scheinbar Unmögliche geschafft und jemandem meinen Stil subtil aufgezwungen.
    Auch in puncto Essmanieren hatte ich einiges zu optimieren, denn der junge Mann leckte ständig voller Hingabe seine Messer und Teller ab. Mich leckte er hingegen mäßig. Beides störte mich, und das sagte ich ihm auch. Er, beleidigt, aber nicht unwillig für Veränderungen, legte die erste Angewohnheit ab und bemühte sich bei der zweiten. Wer sich jetzt fragt, warum ich überhaupt mit ihm zusammen war, dem kann ich nur sagen: Ich weiß es nicht. Sicherlich war ich verliebt. Vielleicht wollte ich aber auch, wie jetzt, nicht alleine sein.
    Doch es kam so, wie es immer kommt, wenn es viel zu ändern und wenig Beständiges gibt, wir trennten uns. Also, eigentlich machte ich Schluss, nachdem wir zwei Wochen mit seinem VW -Bus durch Mecklenburg-Vorpommern gefahren waren. Wahrscheinlich waren wir zu lange zu zweit gewesen. Wahrscheinlich hatte ich einfach zu viel von ihm gehabt. Vielleicht
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