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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel
Autoren: Carre
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Beherrscht ist ein Ausdruck, der ziemlich oft auftaucht. Zielstrebig ein anderer. Um es einmal nicht so feinfühlig auszudrücken, der Doktor umgibt sich in letzter Zeit mit Geheimnissen, die wir noch nicht haben knacken können.«
    So was nennt man Handwerk, dachte ich. »Vielleicht ist er endlich erwachsen geworden«, bemerkte ich leichthin, offenbar aber erregter als beabsichtigt; denn Lucks länglicher Schädel wandte sich zu mir um, und er starrte mich an, während der Schein des Kaminfeuers rot und orange über seine Halssehnen glitt.
    »In den letzten zwölf Monaten hatte er unseres Wissens nur gelegentlich von einem Gentleman aus Übersee Besuch, genannt der Professor«, fuhr Bryant fort. »Professor wofür oder wo, bleibt vorerst rätselhaft. Der Professor ist nie lange geblieben und anscheinend stets unangemeldet aufgetaucht, aber der Doktor hat sich immer über seinen Besuch gefreut. Meist ließen sie sich ein Curry kommen und tranken Bier dazu, auch Scotch wurde nicht verschmäht, und Zeugen haben sie lachen gehört. Der Professor war unserer Quelle zufolge offensichtlich selber ein geistreicher Kopf. Er schlief auf dem Sofa und ist am nächsten Tag wieder abgereist. Hatte nur eine leichte Tasche dabei, ganz autark. Selbständig wie eine Katze, so hat sie ihn genannt. Einen Namen hat er nicht gehabt, jedenfalls nicht für die Vermieterin, nur Professor, das ist der Professor. Außerdem haben er und der Doktor in einer gänzlich unbekannten Sprache gesprochen, ziemlich oft bis in die frühen Morgenstunden.«
    Ich nickte, versuchte höfliches Interesse zu bekunden und mir nichts von der Faszination anmerken zu lassen, die er in mir weckte.
    »Russisch war es nicht, das hätte die Vermieterin erkannt. Ihr verstorbener Mann war Marineoffizier und hatte Russisch gelernt, daher weiß sie, wie diese Sprache sich anhört. Wir haben bei der Universität nachgefragt. Keiner der offiziellen Gäste paßt auf die Beschreibung. Der Professor ist privat gekommen und privat wieder abgereist.«
    Ich spaziere durch Hampstead Heath, Larry neben mir; fünf Jahre ist das her. Wir gehen zu schnell. Beide, immer. Ob in den Parks von London oder bei unseren Wochenendaufenthalten im sicheren Haus der Firma in Norfolk, wir gehen wie zwei Sportler, die selbst noch in ihrer Freizeit Wettkämpfe miteinander austragen.
    »Tschetschejew hat sich zum Curry bekehrt«, verkündet Larry. »Sechs Monate lang liegt er mir in den Ohren, Lamm ist Lamm, und Saucen sind dekadent. Gestern abend beim Viceroy of India verschlingt er Chicken vindaloo und findet zu Gott.«
    »Anscheinend war er klein und stämmig«, sagte Bryant gerade. »Sie schätzt ihn auf Ende Vierzig, Haarfarbe schwarz, nach hinten gekämmt. Koteletten, dicker Schnauzbart, der über die Mundwinkel hängt. Trug meistens eine Bomberjacke und Laufschuhe. Hautfarbe bräunlich , aber noch weiß , sagt sie. Voller Narben. Hat früher wohl Pickel gehabt. Trockener Humor, Schalk im Nacken. Nicht so wie andere Professoren, die sie kennt. Klingelt da vielleicht was bei Ihnen?«
    »Leider nein«, sagte ich. Ich versuchte die Klingel zu unterdrücken – oder, genauer, ihr betäubendes Schrillen zu überhören.
    »Hat ihn sogar bezaubernd genannt, richtig, Oliver? Kam uns fast so vor, als ob sie in ihn verknallt war.«
    Anstatt ihm zu antworten, wandte Luck sich brüsk an mich. »Welche Sprachen genau spricht Pettifer, außer Russisch?«
    »Keine Ahnung, welche genau « – das gefiel ihm nicht –, »er ist Slawist. Sprachen sind seine Stärke, insbesondere die Sprachen von Minderheiten. Ich hatte den Eindruck, daß er sie regelrecht sammelte. Außerdem ist er Philologe, glaube ich.«
    »Liegt ihm im Blut, wie?«
    »Das kann ich nicht sagen. Er ist einfach begabt.«
    »So wie Sie.«
    »Bei mir ist es Fleiß.«
    »Bei Pettifer nicht?«
    »Das hat er nicht nötig. Wie gesagt. Er ist begabt.«
    »Wann ist er Ihres Wissens das letztemal ins Ausland gereist?«
    »Gereist? Du liebe Zeit, er ist ständig gereist. Früher. Das war seine Leidenschaft. Am meisten angetan haben es ihm möglichst unangenehme Orte.«
    »Wann war das letzte Mal?«
    18 . September , dachte ich. Wann sonst? Das letzte Mal , sein letztes heimliches Treffen , sein absolut letztes Wort . »Sie meinen, wann er das letztemal gereist ist?« fragte ich. »Das weiß ich leider wirklich nicht. Ich könnte spekulieren, aber das führt Sie womöglich in die Irre. Warum überprüfen Sie nicht Passagierlisten und so was? Solche
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