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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel
Autoren: Carre
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über dem Meeresspiegel. Mein Onkel war entschlossen, diese Schwierigkeiten zu ignorieren. Als andere Weingärten hier in der Gegend gediehen und nur seiner nicht, schob er das auf sein Pech und versuchte es im nächsten Jahr wieder.« Ich wandte mich an den Schnurrbart. »Darf ich vielleicht Ihre Namen erfahren?«
    Mit vorschriftsmäßig gespielter Verlegenheit hielten sie mir ihre Ausweise hin, aber ich winkte sie weg. Auch ich hatte zu meiner Zeit Ausweise geschwenkt, von denen die meisten gefälscht waren. Der Schnurrbart sagte, er habe versucht, mich vorher anzurufen, aber feststellen müssen, daß ich nicht mehr im Telefonbuch stehe. Da sie sich zufällig in einer anderen Sache hier in der Gegend aufhielten, Sir, hätten sie sich erlaubt, gleich bei mir anzuläuten. Ich glaubte ihnen nicht. Ihr Peugeot hatte ein Londoner Kennzeichen. Sie trugen städtische Schuhe. Ihre Gesichter waren nicht von der Landluft gerötet. Sie hießen, sagten sie, Oliver Luck und Percy Bryant. Luck, der Sargschädel, war Sergeant. Bryant, der Schnurrbart, war Inspektor.
    Luck registrierte die Einrichtung meines Salons: die Miniaturen meiner Familie, meine düsteren Möbel aus dem achtzehnten Jahrhundert, meine Bücher – Herzens Erinnerungen, Clausewitz’ Vom Kriege .
    »Sie lesen wohl viel«, sagte er.
    »Wenn ich Zeit habe.«
    »Die Sprachen, sind die kein Hindernis?«
    »Manche sind es, manche nicht.«
    »Welche sind es nicht?«
    »Ich kann ein wenig Deutsch. Russisch.«
    »Französisch?«
    »Nur lesen.«
    Die ganze Zeit ihre Augen auf mir, alle vier. Sehen Polizisten uns als das, was wir sind? Erkennen sie etwas in uns, das sie an sie selbst erinnert? Die Monate meiner Pensionierung fielen von mir ab. Ich befand mich wieder im Einsatz und fragte mich, ob man mir das ansah und inwieweit die Firma dahintersteckte. Emma, dachte ich, haben sie dich gefunden? Dich ausgequetscht? Dich zum Reden gebracht?
    Es ist vier Uhr morgens. Sie sitzt in ihrem Dachstudio an dem Schreibtisch aus Rosenholz, auch so ein kostspieliges Geschenk, das ich ihr gemacht habe. Sie tippt. Sie hat schon die ganze Nacht getippt, eine Pianistin, die süchtig nach der Schreibmaschine ist.
    »Emma«, flehe ich sie von der Tür aus an. »Was soll das alles?« Keine Antwort. »Du machst dich kaputt. Leg dich jetzt schlafen, bitte .«
    Inspektor Bryant rieb die Hände zwischen den Knien auf und ab, wie jemand, der Weizen schält. »Also, Mr. Cranmer, Sir«, sagte er, das Lächeln in Lauerstellung, »wann haben Sie, wenn ich fragen darf, unseren Freund, den Doktor, das letztemal gesehen oder von ihm gehört?«
    Und das war genau die Frage, auf die ich mich in den letzten fünf Wochen Tag und Nacht vorbereitet hatte.
    ***
    Aber ich antwortete nicht. Noch nicht. Entschlossen, ihn aus dem Rhythmus seines Verhörs zu bringen, entschied ich mich lieber für einen behaglichen Tonfall, der unserer Runde am Kamin angemessen war.
    »Sie sagten eben, er habe keine Gefährtin –«, wandte ich ein.
    »Ja, Sir?«
    »Nun, also wirklich« – ich lachte –, »irgend jemanden hat Larry immer gehabt, da können Sie sicher sein.«
    Luck unterbrach mich. Grob. Er kannte nur Bremse oder Vollgas, nichts dazwischen. »Reden Sie von einer Frau? « platzte er heraus.
    »Solange ich ihn gekannt habe, hatte er immer einen ganzen Stall davon«, sagte ich. »Wollen Sie mir weismachen, er sei im Alter zölibatär geworden?«
    Bryant wog meine Worte sorgsam ab.
    »Dieser Ruf ist ihm nach Bath vorausgeeilt, Mr. Cranmer, Sir. Aber die Wahrheit sieht, wie wir herausgefunden haben, ein wenig anders aus, stimmt’s, Oliver?« Luck starrte noch immer finster in den Kamin. »Wir haben seine Vermieterin gründlich befragt, und wir haben seine Kollegen von der Universität befragt. Selbstredend vertraulich. Wir wollten schließlich in diesem frühen Stadium unserer Ermittlungen kein ungereimtes Zeug in Umlauf bringen.« Er holte Luft, und ich fragte mich, wie viel von seinem grämlichen Betragen er wohl seinen absurd erfolgreichen Fernsehkollegen abgeschaut haben mochte. »Anfangs, unmittelbar nach Antritt seiner Stellung in Bath, war er tatsächlich genau so, wie Sie sagen. Er hatte seine Stammlokale, er hatte eine Schwäche für hübsche Studentinnen, von denen auch anscheinend einige schwach geworden sind. Dann aber tritt allmählich eine Veränderung ein. Er wird seriös. Er geht nicht mehr auf Partys. Viele Abende verbringt er nicht auf seiner Bude. Manchmal ganze Nächte. Er trinkt weniger.
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