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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel
Autoren: Carre
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Warnung. Und ich wußte, hätte ich Larry nicht schon früher den Gefallen getan, ihn zu töten, dann hätte ich es jetzt und hier getan, an einem Ort, der weiter von der Erde entfernt und näher am Himmel war als Priddy.
    Tschetschejew sprach jetzt mit solchem Nachdruck, als befände er sich in einem wichtigen Einsatz.
    »Die halten Sie für einen Mann, also reden Sie auch wie ein Mann. Sprechen Sie englisch. Zu allen. Lassen Sie diese Männer Ihren Mut hören«, sagte er.
    Also sprach ich zu dem Hünen und den anderen auf englisch, sehr laut, was ganz und gar nicht meiner Natur und meiner Ausbildung entsprach; Magomed und Issa standen hinter mir, und Tschetschejew dolmetschte mit Donnerstimme. Ich sagte, Larry sei ein Engländer, der die Freiheit über alles geliebt habe. Er habe den Mut der Inguschen bewundert und ihren Haß auf die Unterdrücker geteilt. Und Larry werde weiterleben, weil er sich engagiert habe, und nur wer sich zu wenig engagiere, sei nach dem Tod wirklich tot. Und da Mut und Ehre zusammengehörten und beide untrennbar mit Loyalität verbunden seien, müsse man auch davon berichten, daß Larry es in einer Welt, in der Loyalität zunehmend schwieriger zu definieren sei, verstanden habe, ein Ehrenmann zu bleiben, auch wenn die zwangsläufige Folge dieser Haltung war, in den Krieg zu ziehen und dort den Heldentod zu finden.
    Und während ich sprach, kam mir der Gedanke – auch wenn ich ihm mit Bedacht nicht durch viele Worte Ausdruck verlieh –, daß Larry, mochte er auch das falsche Leben geführt haben, immerhin den richtigen Tod gefunden hatte.
    Ob Tschetschejew meine Rede wortgetreu übersetzte, habe ich nie erfahren. Und auch nicht, falls er es tat, wie meine Zuhörer sie aufnahmen, denn inzwischen war eine weitere Delegation eingetroffen, und das Begrüßungsritual begann von neuem.
    * **
    Eine schnatternde Schar kleiner Kinder begleitete uns den Hügel hinauf, sie zogen Magomed an den Händen und blickten bewundernd zu dem großen Helden auf, während sie mich eher verwirrt betrachteten. Als wir bei der Scheune ankamen, ging Tschetschejew alleine weiter, während wir anderen im peitschenden Wind stehenblieben. Hier, unter den Frauen, waren gewisse Gefühlsbekundungen anscheinend erlaubt, denn als Tschetschejew mit einer blassen Frau und ihren drei kleinen Kindern zu uns zurückkam und erklärte, dies seien Bashirs Frau und Kinder, sah ich Tränen in seinen Augen, an denen nicht der Wind schuld sein konnte.
    »Sagen Sie ihr, daß ihr Mann den Märtyrertod gestorben ist«, befahl er mir grob.
    Also sagte ich etwas dieser Art, und er übersetzte es. Dann muß er ihr erzählt haben, daß ich ein Freund von Larry sei, denn wieder hörte ich das Wort Larry . Und bei der Nennung seines Namens umarmte sie mich von der Seite und weinte so heftig, daß ich sie stützen mußte. Sie weinte noch immer, als Tschetschejew sie in die Scheune zurückführte.
    * **
    Ein junger Mann ging uns voran. Magomed hatte ihn auf dem Hof gefunden und zu uns gebracht. Wir kämpften uns mühsam hinter ihm her und bahnten uns einen Weg durch zerbombtes Mauerwerk und zertrümmerte Möbel, vorbei an einem Haufen verbrannter Matratzen und einer Blechbadewanne voller Einschußlöcher. Und ich erinnerte mich an den Kieselstrand von St. Loy in Cornwall, zu dem Onkel Bob mich in den Ferien manchmal mitgenommen hatte und wo er dann, während ich Treibholz sammelte, die Zeitung las.
    Ein paar Männer schlachteten ein Schaf, Kinder sahen ihnen zu. Man hatte ihm die Beine vorn und hinten zusammengebunden, und jetzt lag es auf der Seite, vermutlich nach Mekka ausgerichtet, denn als es darum ging, den Kopf in die vorgeschriebene Himmelsrichtung zu legen, hatte es einige Aufregung gegeben. Dann wurde das Schaf unter kurzem Gebet mit einem flinken Dolchstoß getötet, und man ließ das Blut über die Felsen fließen und sich mit dem Blut vermischen, das dort bereits lag. Wir kamen an einer offenen Feuerstelle vorbei und sahen in einem großen Eisenkessel Wasser brodeln. Als wir den Wachturm an der entferntesten Ecke des Hochplateaus erreichten, dachte ich an Larrys Leidenschaft für abgelegene Orte.
    Unser junger Führer trug einen langen Regenmantel, aber der war weder grün noch aus Österreich; vor dem Eingang des Wachturms blieb der junge Mann stehen, zeigte mit der Gebärde eines Reiseleiters auf das zerstörte Bauwerk über uns und erklärte durch Tschetschejew sein Bedauern darüber, daß der Turm infolge des Angriffs leider nur
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