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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel
Autoren: Carre
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Kriege selbst führen, sagt er. Wir brauchen keine Hilfe von außen. Aber wenn die Engländer uns ihre Unterstützung anbieten, sind wir dankbar und danken Gott. Es ist ihm sehr ernst damit, also lächeln Sie, und machen Sie ein Gesicht wie ein englischer König. Er ist ein Sufist, also stellen wir seine Autorität nicht in Frage.«
    Ich saß neben ihm. Die älteren Männer nahmen ebenfalls am Tisch Platz, während die jüngeren stehen blieben und die Frauen Pita, Rinderbraten mit Knoblauch und Tee servierten. An der Wand hing ein Foto von Bashir Haji. Es war das gleiche wie in der Cambridge Street, nur ohne die mit Tinte geschriebene Widmung in der Ecke.
    »Das Dorf wurde in der Nacht angegriffen«, übersetzte Tschetschejew die Worte unseres Gastgebers, während die jungen Männer respektvoll schweigend zuhörten. »Das Dorf war jahrelang verlassen und unbewohnt, nachdem die Russen die Häuser niedergerissen und die Einwohner ins Tal getrieben hatten. Früher konnten wir uns immer in die Berge zurückziehen, aber heute haben die Russen Technologie. Sie haben uns mit Raketen beschossen, dann sind sie mit Hubschraubern gelandet. Russen oder Osseten, wahrscheinlich beide –« Von sich aus fügte er hinzu: »Die Osseten sind Schweine, aber sie gehören uns. Mit denen werden wir auf unsere Weise fertig.« Dann fuhr er mit der Übersetzung fort: »Die Leute in den Dörfern der Umgebung sagen, sie hätten so etwas wie Donner gehört und Blitze am Himmel gesehen. Lautlose Hubschrauber, sagt er. Aber das ist nur Bauerngeschwätz. Wer einen lautlosen Hubschrauber erfinden könnte, würde die Welt beherrschen.« Kaum eine Veränderung in seiner Stimme oder im Tempo seines Vortrags, als er wieder eine eigene Bemerkung einschob: »Die Sufisten sind die einzigen hier in der Gegend, die es mit der russischen Herausforderung aufnehmen können. Sie sind das Gewissen dieser Region. Aber wenn es um Waffen und Ausbildung geht, sind sie wie Schildkröten, die auf dem Rücken liegen. Deshalb brauchen sie Issa und mich und Larry.« Er nahm seine Arbeit als Dolmetscher wieder auf: »Eine Frau war beim Begräbnis ihrer Mutter, zehn Kilometer von hier. Als sie nach Hause zurückkam, waren alle Dorfbewohner tot, also machte sie kehrt und ging zu dem Dorf zurück, wo sie ihre Mutter begraben hatte. Am nächsten Tag brach ein Trupp Männer auf. Sie wuschen alle Leichen, die sie finden konnten, sprachen Gebete und begruben sie, wie es bei uns Sitte ist. Bashir hatte man mit Messern gefoltert, aber sie erkannten ihn trotzdem. Unser Gastgeber sagt, daß wir verraten wurden.«
    »Von wem?«
    »Er sagt, von einem Verräter. Von einem ossetischen Spion. Mehr weiß er nicht.«
    »Und was glauben Sie?«
    »Bei all den Spionagesatelliten? Mit ihren Kameras und Horchgeräten? Ich glaube, daß der gesamte Müll der modernen Technik uns verraten hat.« Ich hatte schon den Mund auf, um die Frage zu stellen, aber er kam mir mit der Antwort zuvor. »Die anderen Toten wurden nicht identifiziert. Es wäre nicht höflich, ihn auszuquetschen.«
    »Aber ein Europäer ist doch bestimmt –«
    Doch als ich das sagte, mußte ich an Larrys eigenwillige schwarze Stirnlocke denken, die sich nicht von den Stirnlocken in dieser Runde hier unterschied, und an seine Haut, die in der Sonne braun wurde, während meine sich nur rot färbte.
    Magomed sprach ein Nachtgebet. » › Wir werden jeden einzelnen von ihnen töten‹«, übersetzte Tschetschejew, während unser Gastgeber und die anderen leise zustimmend respondierten. » › Wir werden die Namen der Hubschrauberpiloten ermitteln, die Namen der Männer, die die Operation geplant haben, die Namen der Männer, die sie kommandiert haben, die Namen der Männer, die daran teilgenommen haben, und mit Gottes Hilfe werden wir sie alle töten. Wir werden so lange Russen töten, bis sie tun, was Jelzin versprochen hat: bis sie ihre Panzer und Geschütze und Hubschrauber und Raketen und Soldaten und Funktionäre und Spione auf die andere Seite des Terek verlegt haben, damit wir unsere Streitigkeiten untereinander regeln und uns friedlich selbst regieren können. Das ist Gottes Wille.‹ Wissen Sie was? «
    » Nein.«
    »Ich glaube ihm. Ich war ein Idiot: Ich habe Urlaub von mir selbst genommen, zwanzig Jahre hat das gedauert. Jetzt bin ich nach Hause zurückgekehrt und wünsche mir, ich wäre niemals weggegangen.«
    * **
    Unser Gästezimmer glich dem Krankenrevier an der Uni Winchester während einer Masernepidemie: Betten waren
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