Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
einer primitiven Schutzhütte und wärmten sich an einem Feuer. Ihre dunklen Augen taxierten unsere Waffen und Pferde. Wir kamen in einen Wald, die Bäume von Lianen überwachsen, aber der Wald war nur auf einer Seite, auf der anderen befand sich der mit wallendem Morgennebel gefüllte Schlund des Tals, aus dem das Ächzen des Winds und Vogelschreie zu uns hinauftönten. Und da ich alles andere als schwindelfrei bin, hätte ich eigentlich jedesmal in Ohnmacht fallen müssen, wenn ich den Abgrund zwischen den rutschenden Hufen meines Pferdes, die enge gewundene Talsohle tief unten und den handbreiten und manchmal noch schmaleren bröckligen Felspfad sah, der mein einziger Halt an dieser Felswand war, und wenn ich das unirdische und seltsam anmutige Rauschen von Wasserfällen vernahm, das man ebensogut atmen und trinken wie hören konnte. Aber es ging mir um Larrys Überleben, nicht um meins, und die klare unermeßliche Majestät der Berge zog mich empor.
    Das Wetter wechselte genauso ungestüm wie die Landschaft, riesige Insekten brummten mir ums Gesicht, stießen mir an die Wangen und tänzelten fröhlich weiter. Einen Augenblick lang trieben freundliche weiße Wolken heiter über den blauen Gebirgshimmel, im nächsten duckte ich mich im Windschatten gewaltiger Eukalyptusbäume vergeblich vor sintflutartigen Regenattacken. Dann ritt ich durch einen drückend schwülen Junitag in Somerset, und aus dem Tal stieg der Duft von Schlüsselblumen und gemähtem Gras und warmer Viehgeruch herauf.
    Aber diese unerwarteten Wechsel wirkten auf mich wie die Stimmungen eines lieben und unbeständigen Freundes, und dieser Freund war manchmal Larry und manchmal Emma. Ich will euer Fürsprecher sein, euer Freund, euer Verbündeter, ich will der Förderer eurer Träume sein, flüsterte ich unhörbar den vorüberziehenden Schluchten und Wäldern zu. Nur laßt Larry für mich am Leben sein, wenn ich über den Kamm des letzten Hügels komme; dann werde ich alles, was ich je gewesen bin, nie wieder sein.
    Wir waren auf einer Lichtung, der alte Führer hatte uns Halt geboten und uns alle unter eine überhängende Felswald gewiesen. Die Sonne brannte uns stechend ins Gesicht, Vögel kreischten und kreisten in wilder Lust. Magomed war abgestiegen und machte sich an seiner Satteltasche zu schaffen, wobei er den Pfad vor uns nicht aus den Augen ließ. Issa saß, das Gewehr vor der Brust, mit dem Rücken zu ihm und beobachtete den Weg, den wir gekommen waren. Die Pferde ließen die Köpfe hängen. Der Junge aus den Bergen kam zwischen den Bäumen vor uns zurück. Er murmelte dem alten Führer etwas zu, der sich an seine hohe Fellmütze faßte, als ob er ein Abzeichen daran befestigte.
    »Wir können weiterreiten«, sagte Tschetschejew.
    »Was hat uns aufgehalten?«
    »Die Russen.«
    * **
    Anfangs merkte ich gar nicht, daß wir in das Dorf gekommen waren. Ich sah nur einen wie abgeschnitten wirkenden Berg, eine weite, mit zerschlagenen Steinen übersäte Hochebene; sie erinnerte mich an den Beacon, den ich von meinem Turmversteck auf Honeybrook sehen konnte. Ich sah vier verfallene Türme, über die sich blaue Wolken wälzten, und hielt sie in meiner Ahnungslosigkeit für alte Schmelzöfen – eine Ansicht, die noch von Brandspuren unterstützt wurde, für mich ein Hinweis auf die Verbrennung von Holzkohle oder was auch immer man vor hundert Jahren auf gottverlassenen Bergkuppen dreitausend Meter über dem Meer in solchen Steinöfen verbrannt haben mochte. Dann erinnerte ich mich, irgendwo gelesen zu haben, daß diese Region für ihre uralten steinernen Wachtürme bekannt sei; und ich erinnerte mich an Emmas Zeichnung von sich selbst und Larry, wie sie aus den oberen Fenstern hinausblickten.
    Hier und da sah ich vereinzelte dunkle Gestalten, die ich zunächst nur für Schafhirten und ihre Herden und dann für Ährenleser hielt, denn als wir näher kamen, bemerkte ich, daß sie sich ständig bückten und aufrichteten, woraus ich schloß, daß sie mit einer Hand irgend etwas aufsammelten und es mit der anderen festhielten.
    Dann hörte ich durch den Wind, der heftig über diese ungeschützte Wildnis fegte, ein hohes, durchdringendes, nasales Wimmern, das an- und abschwoll und mir von irgendwelchen Gebirgstieren zu kommen schien, die hier zu Hause sein mochten, von wilden Schafen oder Ziegen, von Schakalen oder vielleicht auch von Wölfen. Ich sah hinter mich und erblickte einen schwarzen Ritter in breiter Rüstung, aber es war nur Magomeds hoch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher