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Unheil

Unheil

Titel: Unheil
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fing sie seinen Fuß nicht nur ab, sondern
packte und verdrehte ihn mit einem so harten Ruck, dass er mit einem
überraschten Keuchen zurücktaumelte und zu Boden stürzte. Sie hörte das Reißen
von Leder und Stoff, dann von Fleisch.
    Der falsche Aisler stieß einen gurgelnden Schrei aus, und sie spürte
seinen Schmerz wie eine lodernde Flamme, die am Rande ihres Bewusstseins
aufblitzte und dann ebenso schnell wieder erlosch. Diesmal war es der Geruch seines Blutes, der ihr in die Nase stieg, nicht ihres
eigenen oder des toten Aisler.
    Aber es war nicht nur sein Blut. Sie konnte die Wärme und das pulsierende
Leben darin spüren, wie auch seinen Wahnsinn und die unstillbare rasende Wut,
die daraus erwachsen war … und noch etwas anderes, ebenso Künstliches wie durch
und durch Falsches, das durch seine Adern floss. Kein uralter Zauber, sondern
moderne Chemie, PCB oder irgendein anderes
Teufelszeug, das ihn überhaupt erst zu diesen unglaublichen Leistungen
befähigte; wenn auch vielleicht um den lächerlichen Preis, ihm auch noch den
allerletzten Rest Verstand aus dem Schädel zu brennen.
    Sie spürte, was er plante, sodass es ihr nicht schwerfiel, seine
Eisenkralle zur Seite zu schlagen, als sie ihn auf den Rücken drehte und er
nach ihrem Gesicht zu hacken versuchte. Das frische Rot auf den
rasiermesserscharfen Klingen stammte jetzt von ihm, und ungleich mehr glänzte
auf seinem Oberschenkel. Er war in seine eigene Waffe gefallen. Wäre er nicht
bis unter die Haarspitzen mit Angel Dust oder
irgendeinem anderen Scheißzeug vollgedröhnt gewesen, hätte allein diese
Verletzung ausgereicht, um ihn kampfunfähig zu machen.
    Unglückseligerweise war das genaue Gegenteil der Fall.
    Aislers Nachahmer keuchte mittlerweile vor Schmerz, und in seinem
Röcheln schwang etwas mit, das schlimmer war als Wahnsinn, aber all das
hinderte ihn nicht daran, blitzschnell die Beine an den Leib zu ziehen und
Conny mit beiden Füßen von sich zu stoßen. Conny fing sich mühelos und trat
nach seiner Hand, als er mit unglaublicher Behändigkeit aufsprang und sie mit
der Vampirklaue attackierte. Schon diese flüchtige Berührung brachte ihn aus
dem Gleichgewicht. Conny packte ihn mit beiden Händen an den Aufschlägen seines
schwarzen Kunstledermantels und warf ihn mit solcher Wucht gegen die Wand, dass
er mit einem erstickten Laut erneut zu Boden sackte.
    Sie ließ ihm keine Zeit, zu Atem oder auf irgendeine andere, dumme
Idee zu kommen. Sofort war sie über ihm, riss ihn in die Höhe und schmetterte
ihn noch einmal mit solcher Wucht gegen die Mauer, dass sie spüren konnte, wie
die letzte Kraft aus ihm herausgepresst wurde. Und endlich kehrten sich die
Vorzeichen um, endlich war er es, in dem Angst aufstieg, und nicht sie. Und da
war noch mehr: Er schien zum ersten Mal die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass er diesen Kampf verlieren könnte.
    Conny schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht, bis seine Lippen
aufplatzten und Blut aus seiner Nase schoss. Alles in ihr schrie danach, ihn zu
töten. Es wäre leicht. Nicht nur ihre Sinne waren plötzlich unvorstellbar
scharf geworden, sie spürte auch die übermenschliche Kraft, die durch ihre
Glieder floss, eine Stärke, die nicht nur ihre eigene war, sondern auch die
anderer, geboren aus Schmerz und Furcht, die sie verzehrt hatte. Ein einziger,
wirklich ernst gemeinter Hieb, ein kurzes Drücken ihrer Fingerkuppen auf seinem
Hals, und es wäre vorbei.
    Stattdessen lockerte sie ihren Griff wieder, packte ihn erneut mit
beiden Händen am Kragen und warf ihn einfach zu Boden. Der Kerl stöhnte. Seine
eiserne Klaue machte eine unbewusste Bewegung und Conny trat sie beiseite.
    Die blutbesudelte Gestalt versuchte sich auf die Seite zu wälzen und
davonzukriechen, ein grotesker, blutender Wurm, ein glänzendes schwarzes Ding ohne den geringsten Anspruch auf Menschlichkeit, das
sich wimmernd davonschlängelte und eine schmierige braunrote Spur hinter sich herzog.
Ein Ding, das kein Mitleid verdiente, nicht einmal irgendein Gefühl, sondern
das sie einfach zermalmen sollte.
    Doch das war falsch. Der Teil von ihr, der sich längst in einen
Blutrausch hineingesteigert hatte, der einfach nur zerreißen und Schmerz zufügen
wollte, schrie so enttäuscht wie ein Raubtier auf, das sich im letzten Moment
um seine Beute betrogen sah, aber da war noch eine andere Seite, ein
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